KI revolutioniert die Medizin. Seit Jahren. Sie unterstützt Ärztinnen und Ärzte bei Diagnosen und ermöglicht personalisierte Behandlungen. Von der Analyse medizinischer Bilder über die Prognose von Krankheitsverläufen bis hin zu Operationen – KI erweitert die Möglichkeiten der modernen Medizin.
Was ist KI überhaupt?
KI steht für künstliche Intelligenz und bezeichnet Computersysteme, die Aufgaben übernehmen, die bisher menschliche Intelligenz erforderten, wie etwa das Lernen aus Daten, Mustererkennung oder Entscheidungsfindung. In der Medizin wird KI seit den 1970er-Jahren eingesetzt, zunächst als einfache Expertensysteme.
Richtig an Bedeutung gewinnt die KI erst seit den 2010er-Jahren mit digitalen Patientendaten und leistungsfähigen Algorithmen. Heute kann KI Ärztinnen und Ärzte in vielen Bereichen unterstützen, wie bei Diagnosen, in der Therapieplanung, bei Behandlungen, automatisierten Routineaufgaben und bei frühzeitigen Prognosen von Krankheitsrisiken.
Welche Vorteile bietet KI in der Medizin?
Künstliche Intelligenz bringt nicht nur Erleichterungen für Ärztinnen, Ärzte und medizinische Fachkräfte, sondern auch Vorteile für Patienten und Patientinnen. Hier ein paar Beispiele:
- 1.Schnellere und präzisere Diagnosen: Analyse von Röntgen-, CT- oder MRT-Bildern zur Erkennung von Tumoren, Frakturen oder Gefäßveränderungen, dazu Früherkennung von Krankheiten wie diabetische Retinopathie oder Hautkrebs.
- 2.Personalisierte Therapien: Auswertung großer Patientendaten für individuelle Behandlungspläne. Anpassung von Medikamentendosierungen und Therapieoptionen an genetische oder physiologische Faktoren.
- 3.Entlastung des medizinischen Personals: Automatisierung von Dokumentation, Laboranalysen oder Terminplanung. Unterstützung bei Routineaufgaben.
- 4.Effizienz in Forschung und Entwicklung: Beschleunigung der Medikamentenentwicklung durch Simulationen und Datenanalyse. Erkennung von Mustern in großen klinischen Studien.
- 5.Verbesserte Patientenüberwachung und Prävention: Analyse von Vitaldaten in Echtzeit oder durch Wearables. Prognose von Risiken für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes oder andere chronische Erkrankungen.
- 6.Kontinuierliches Lernen und Optimierung: KI-Systeme verbessern sich mit jeder Datenauswertung, wodurch Diagnosen und Empfehlungen mit der Zeit genauer werden.
Das sind aktuelle KI-Trends in der Medizin
Generative KI und Large Language Models (LLM) in klinischer Assistenz und Pflege
Generative KI und Large Language Models (LLM) werden in der klinischen Assistenz und Pflege eingesetzt, um Arbeitsabläufe zu verbessern. Sie können medizinische Dokumentation erstellen, Pflegeberichte zusammenfassen oder standardisierte Anweisungen generieren. In der klinischen Assistenz helfen LLM, Fachinformationen schnell aufzubereiten, Therapieoptionen zu vergleichen oder Diagnosen zu erläutern. In der Pflege unterstützen sie bei Kommunikation, Erinnerungen an Medikamentengaben oder die Erstellung individueller Pflegepläne. Beispiele sind Chatbots, die Fragen zu Symptomen beantworten, oder Systeme, die automatisch Arztbriefe und Pflegeprotokolle generieren.
KI-Modell Delphi-2M kann Risiken für über 1.000 Erkrankungen vorhersagen
Es klingt wie ein Traum: Das KI-Modell Delphi-2M kann das Risiko für mehr als 1.000 Erkrankungen einer Person vorhersagen und Prognosen bis zu 20 Jahre in die Zukunft liefern. Entwickelt von Forschenden des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Deutschland, wurde das Modell anhand von Daten von mehr als zwei Millionen Personen trainiert.
Delphi-2M liefert zuverlässige Vorhersagen bei Erkrankungen mit klaren Verlaufsmustern wie Krebsarten oder Herzinfarkten, während bei komplexeren oder seltenen Erkrankungen die Prognosen unsicherer sind. Expertinnen und Experten sehen das Modell als vielversprechendes Werkzeug für Forschung und Gesundheitssystem, warnen aber vor Bias, ethischen Fragen und möglichen Fehlinterpretationen individueller Risikoprognosen.
Multimodale KI
Unter multimodaler, künstlicher Intelligenz in der Medizin versteht man Systeme, die verschiedene Arten von Daten gleichzeitig auswerten und miteinander verknüpfen können, um präzisere Diagnosen, Prognosen oder Therapieempfehlungen zu liefern. Multimodale KI kann Bilder, Texte, Genomdaten, Vitalwerte und weitere Patientendaten kombinieren.
So können in der Onkologie solche Systeme Histologie-Bilder eines Tumors mit molekularen Markern und klinischen Parametern wie Alter, Vorerkrankungen oder Medikamentengeschichte verbinden. In der Kardiologie können sie EKG-Daten, Blutwerte, Patientenakten und Bildgebung wie Echokardiogramme gleichzeitig analysieren, um das Risiko für Herzinfarkte oder Herzrhythmusstörungen genauer einzuschätzen.
In der Neurologie kombiniert multimodale KI Gehirnscans, genetische Risikofaktoren, neuropsychologische Testergebnisse und Patientenberichte, um den Krankheitsverlauf besser vorherzusagen und Interventionspläne zu entwickeln. Durch die Kombination unterschiedlicher Datenquellen können solche Systeme Zusammenhänge erkennen, die einzelne Datentypen isoliert nicht liefern.
KI in der Präzisionsmedizin
Hier kann KI personalisierte Therapien erstellen, indem sie Omics-Daten wie Genomik, Proteomik oder Metabolomik analysiert. So können Krankheitsrisiken, Therapieansprechen und Nebenwirkungen individuell vorhergesagt werden. In der Onkologie gleicht KI Tumormutationen mit Medikamentenprofilen ab, in der Immuntherapie identifiziert KI passende Patienten für Checkpoint-Inhibitoren.
KI und Robotik
In der Pflege und Rehabilitation kann KI helfen, um Patienten, Patientinnen und Pflegekräfte zu unterstützen. Exoskelette mit KI helfen, die Bewegungen von Menschen mit Mobilitätseinschränkungen zu unterstützen. Pflegeassistenzroboter und KI-gesteuerte Sensoren überwachen Vitalparameter, erkennen Sturzrisiken und entlasten Pflegekräfte. In der Rehabilitation kommen Roboter mit KI zum Einsatz, die Bewegungen individuell anpassen und Patienten gezielt unterstützen.
KI spielt in der Telemedizin und beim Remote Monitoring
Auch hier spielt KI eine immer größere Rolle. Über Wearables hinaus überwachen KI-Agenten physiologische Daten, erkennen Abweichungen frühzeitig und justieren Alarme präzise, um Fehlalarme zu vermeiden. Bei chronischen Erkrankungen wie Herzinsuffizienz oder Diabetes kombiniert KI Patientendaten mit Umwelt- und Verhaltensinformationen.
Spannende KI-Tools für die Medizin
IBM Watson Health
Ein bekanntes KI-System, das Ärzte bei Diagnosen und Therapieentscheidungen unterstützt – vor allem in der Onkologie. Watson analysiert medizinische Literatur, Studien und Patientendaten, um individuelle Behandlungsoptionen vorzuschlagen.
Aidoc
Ein KI-Tool für die radiologische Bildanalyse. Es erkennt auf CT- oder MRT-Aufnahmen Blutungen, Frakturen oder Tumoren und markiert diese automatisch, sodass Radiologinnen und Radiologen schneller reagieren können.
Babylon Health
Eine App-basierte Telemedizin-Plattform mit KI-gestützter Symptomanalyse. Patienten und Patientinnen können Beschwerden eingeben, und das System erstellt eine erste Risikoeinschätzung und Handlungsempfehlung.
PathAI
Ein KI-System für die digitale Pathologie, das Gewebeproben analysiert und hilft, Krebszellen präziser zu identifizieren. Es unterstützt Pathologen, indem es Fehler reduziert und die Diagnosesicherheit erhöht.
Clinomic – Mona
Entwickelt an der RWTH Aachen, ist Mona ein intelligentes Assistenzsystem für die Intensivmedizin. Es sammelt und analysiert Vitaldaten, Laborwerte und Beatmungsparameter, um Ärztinnen und Ärzte bei Entscheidungen zu unterstützen.
DeepLIFE / Helmholtz Munich
Das KI-System DeepLIFE analysiert zelluläre und molekulare Daten aus der Einzelzellforschung, um Krankheitsmechanismen besser zu verstehen. Es nutzt Deep Learning, um Muster in Genexpressionsdaten zu identifizieren.
Ada Health (Berlin)
Die App Ada nutzt KI, um Symptome zu analysieren und mögliche Ursachen oder Erkrankungen vorzuschlagen. Menschen weltweit verwenden sie, um vor Arztbesuchen eine erste Einschätzung zu erhalten. Ada wird auch in klinische Plattformen integriert, um Anamneseprozesse zu automatisieren.
Welche Risiken gibt es bei KI in der Medizin?
Künstliche Intelligenz bietet viele Chancen, birgt jedoch auch Risiken. So arbeiten viele KI-Systeme etwa als „Black Boxes“, sodass ihre Entscheidungen oft nicht nachvollziehbar sind, was zu Fehldiagnosen oder falschen Therapieempfehlungen führen kann. Der Umgang mit sensiblen Patientendaten birgt Datenschutz- und Sicherheitsrisiken. Eine zu starke Abhängigkeit von KI könnte das kritische Urteilsvermögen von Ärztinnen und Ärzten beeinträchtigen. Darüber hinaus kann KI bestehende Datenverzerrungen übernehmen und bestimmte Patientengruppen benachteiligen.
Zudem schadet der Einsatz von KI auch dem Verhältnis zwischen Arzt und Patient. Eine Studie im JAMA Network Open zeigt, dass Ärzte oder Ärztinnen, die KI einsetzen, von Patienten oft als weniger kompetent, vertrauenswürdig und empathisch wahrgenommen werden. Da eine vertrauensvolle Arzt-Patienten-Beziehung aber entscheidend für den Behandlungserfolg ist, sollten Ärzte den Einsatz von KI offen erklären, Vorteile betonen und Bedenken ausräumen.
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