Pflegekräfte arbeiten oft eng am Körper der PatientInnen und gehen professionell mit unangenehmen Situationen um. Dennoch entstehen in der täglichen Pflegearbeit immer wieder Situationen, die Ekel und Ekelgefühle auslösen können: Sei es das Ablassen eines Urinkatheters, der Verbandswechsel eines Druckgeschwürs oder auch das rektale Abführen eines Patienten. Ebenso gehören die Körperpflege und der Umgang mit Körperflüssigkeiten zum Alltag von Pflegekräften dazu.
Dieser Artikel soll dabei helfen, das Ekelgefühl als normales Empfinden wahrzunehmen. Außerdem stellt er Strategien vor, die Pflegekräften helfen können, solche belastende Situationen besser zu meistern.
Ekel in der Pflege ist individuell
Jede Person und somit auch jede Pflegekraft hat eine eigene, ganz individuelle Ekelgrenze. Ekel wird durch verschiedene Situationen, Geräusche oder physische Faktoren ausgelöst, wie etwa Würgegeräusche, das Versorgen eines Menschen mit Inkontinenzmaterial oder Gerüche und visuelle Eindrücke bei einem Verbandswechsel. In solchen Situationen ist es wichtig zu verstehen, dass es nicht an der eigenen Person liegt. Ekel ist eine natürliche Reaktion, auch bei Pflegenden. Dieses Bewusstsein kann dabei helfen, emotionalen Abstand zu gewinnen.
Die Toleranz Ekel gegenüber ist von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Wichtig ist, diese Gefühle anzunehmen und Strategien zu entwickeln, um damit im Pflegealltag umzugehen. Werden Ekelgefühle unterdrückt oder ignoriert, kann das zu Stress und langfristig sogar zu ernsten Erkrankungen wie Burn-out führen.
In Folge 2 unseres Podcasts "Einsatzbereit" tauschen sich Frieda und Elisa über ein nach wie vor tabuisiertes Thema aus und fragen sich, wie der Balanceakt zwischen Professionalität und menschlicher Emotion gelingt? Was passiert, wenn solche Gefühle unterdrückt werden? Und ob Humor eher hilft oder manchmal sogar eine Barriere ist.
Strategien gegen Ekel in der Pflege
Daher ist es für Pflegekräfte entscheidend, geeignete Strategien zu finden, um Ekel auslösende Situationen besser zu bewältigen.
- 1.Bei intensiven Gerüchen kann es helfen, die Luft für einige Zeit anzuhalten. In anderen Ekelsituationen tragen Atemübungen dazu bei, das Nervensystem zu beruhigen. Eine bewährte Technik ist die 4-7-8-Atemtechnik: Vier Sekunden lang einatmen, sieben Sekunden den Atem anhalten und anschließend acht Sekunden ausatmen. Eine weitere Methode zur Entspannung ist der Körper-Scan, bei dem jede Körperregion bewusst wahrgenommen wird, um Ruhe zu fördern.
- 2.Auch der Schutz vor Krankheitserregern spielt eine Rolle. Der Einsatz von Mundschutz, Schutzkleidung und Handschuhen kann sowohl gesundheitlich als auch emotional entlastend wirken. Wichtig ist es zudem, sich nach belastenden Situationen Pausen zu gönnen, frische Luft zu schnappen und die Hände zu waschen.
- 3.Desensibilisierungstechniken können dabei unterstützen, mit belastenden Situationen umzugehen. Es kann beispielsweise hilfreich sein, sich die positiven Auswirkungen der durchgeführten Pflegemaßnahme bewusst zu machen. Das Vorstellen des Wohlbefindens der PatientInnen nach erfolgreicher Versorgung kann den positiven Fokus stärken. Auch für die PatientInnen sind solche Situationen unangenehm und sie fühlen sich hilflos – sich das vor Augen zu führen und einfach selbstverständlich die Maßnahme durchzuführen, hilft auch ihnen darüber hinweg. Eine weitere Möglichkeit zur Desensibilisierung ist eine schrittweise Konfrontation, ähnlich wie bei der Angst vor Spinnen. Pflegekräfte können sich Videos oder Fotos belastender Situationen anschauen, um sich langsam daran zu gewöhnen.
- 4.Auch der Austausch mit KollegInnen kann entlastend wirken. Zu wissen, dass Ekel und Ekelgefühle nicht allein erlebt werden, und gemeinsam Strategien zu entwickeln, fördert das Wohlbefinden. Fortbildungen zum Thema Ekelmanagement oder Resilienztraining helfen ebenfalls dabei, besser mit solchen Situationen umzugehen. Gesundheitsunternehmen sollten regelmäßig Schulungen anbieten, um das Wissen der MitarbeiterInnen kontinuierlich aufzufrischen.
Regelmäßige Gespräche über belastende Situationen helfen beim Umgang mit Ekelgefühlen
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So können Kliniken und Einrichtungen ihre Angestellten unterstützen
Arbeitgeber sollten Pflegekräften ausreichendes Schutzmaterial zur Verfügung stellen, wie Handschuhe, Händedesinfektionsmittel oder Duftneutralisatoren. Das Rotationsprinzip, bei dem Aufgaben innerhalb des Teams regelmäßig gewechselt werden, kann eine Erholungsphase ermöglichen und Abstand zu belastenden Situationen schaffen. Eine weitere unterstützende Maßnahme wäre die Einrichtung von Entspannungsräumen mit Massagesesseln oder entspannender Musik, um kurzfristige Auszeiten zu ermöglichen.
Supervisionen, Umfragen zur Arbeitszufriedenheit oder Feedbackgespräche bieten Pflegekräften die Möglichkeit, offen über Ekel und belastende Situationen zu sprechen und sich gegenseitig zu unterstützen. Der Austausch trägt dazu bei, die Arbeit zu erleichtern und die Arbeitsatmosphäre zu verbessern.
Fazit zum Ekel in der Pflege
Tabuthemen bleiben zwar in gewissem Maße bestehen, doch es ist wichtig, offen über belastende Erfahrungen wie Ekel zu sprechen. Professionelle Pflege bedeutet, sich solchen Situationen zu stellen. Ekel ist ein Gefühl, das im Pflegealltag niemals vollständig verschwindet. Der professionelle Umgang damit ist jedoch entscheidend – nicht nur für das Wohl der PatientInnen, die auf eine bestmögliche Versorgung angewiesen sind, sondern auch für das Wohlbefinden der Pflegekräfte.
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