PsychotherapeutInnen

Experten für psychische Gesundheit: Wer macht was?

Eine junge Frau sitzt bei einem Psychotherapeuten auf einer Couch
Amely Schneider | 17.4.2024 | Lesedauer: 4 Minuten

Alle widmen sich der seelischen Gesundheit, doch PsychotherapeutIn ist nicht gleich PsychotherapeutIn. Welche Unterschiede gibt es?

Pro Jahr sind fast 18 Millionen Erwachsene in Deutschland von einer psychische Erkrankung betroffen. Weniger als 20 Prozent von ihnen begeben sich in Behandlung, so die „Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde“. Das zeigt, wie groß der Bedarf an Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten ist. Doch wer genau darf diese Berufsbezeichnung tragen? Wo liegen die Unterschiede in der Ausbildung und im Berufsbild? Wir beantworten diese Fragen und zeigen die unterschiedlichen Beruf im Überblick:

(Psychologische/r) Psychotherapeut/in

Psychologische PsychotherapeutInnen heißen mittlerweile nur noch PsychotherapeutInnen. Doch egal, ob mit alter oder neuer Bezeichnung, beide helfen sie Menschen dabei, psychische Krankheiten oder schwere seelische Belastungen zu bewältigen. Sie arbeiten selbständig in eigener Praxis oder angestellt in Krankenhäusern, Psychiatrien, Reha-Zentren oder Psychosomatischen Kliniken.
Im Zentrum ihrer Arbeit steht das Gespräch mit den Betroffenen – entweder in Einzel- oder in Gruppensitzungen. Psychologische PsychotherapeutInnen dürfen Diagnosen stellen und eigenständig behandeln, da sie jedoch keine Ärzte oder Ärztinnen sind, dürfen sie keine Medikamente verordnen oder jemanden krankschreiben.

Eine Frau legt bei einer therapeutischen Sitzung ihre Hand auf die Schulter eines Mannes, der zu Boden blickt

Reform des Ausbildungswegs mit früherer Spezialisierung

Die Ausbildung zum/zur PsychotherapeutIn wurde zum 1. September 2020 reformiert und umgestellt. Früher war für diesen Beruf ein Studium der Psychologie notwendig. Im Anschluss folgte eine mehrjährige therapeutische Ausbildung, an deren Ende die Approbation stand. Erst diese berechtigte sie dazu, als PsychotherapeutIn mit Kassenzulassung zu arbeiten. Der reformierte Ausbildungsweg sieht nun eine frühere psychotherapeutische Ausrichtung vor, zudem wurde die finanzielle Situation in der Weiterbildung nach dem Studium (PiA) verbessert.

Der neue Ausbildungsweg:

  • Ein dreijähriges Psychologie-Bachelor-Studium an einer Universität, das bereits einen Schwerpunkt Psychotherapie beinhaltet
  • Ein zweijähriger Masterstudiengang „Psychologie mit Schwerpunkt Klinische Psychologie und Psychotherapie"
  • Nach erfolgreich bestandener staatlicher Prüfung am Ende des Masters erhalten die AbsolventInnen die Approbation
  • Eine fünfjährige verfahrensspezifische Weiterbildung zum/zur Fachpsychotherapeut/in in einer stationären oder ambulanten Einrichtung, die analog zur Facharzt-Ausbildung entlohnt wird. Demnach haben PiAs einen Anspruch auf eine Vergütung von mindestens 1.000 Euro monatlich.

Wer vor der Umstellung den herkömmlichen Ausbildungsweg begonnen hat, kann grundsätzlich in die neue Ausbildung wechseln oder diese nach altem Recht noch bis 2032 (in Härtefällen bis 2035) abschließen.

Auch die Berufsbezeichnungen haben sich verändert

Ebenfalls neu seit dem Jahr 2000: Statt der bisherigen Berufsbezeichnung „Psychologische/r Psychotherapeut/in“ gibt es nun die einheitliche Berufsbezeichnung „Psychotherapeut/in“. Diesen Titel dürfen AbsolventInnen bereits nach dem Masterstudium tragen. Es stehen ihnen damit auch Berufswege in andere psychologische Felder offen – zum Beispiel in der klinischen Psychologie oder der Schulpsychologie.
Nach der fünfjährigen Weiterbildung können sich AbsolventInnen als „Fachpsychotherapeut/in“ einer bestimmten Richtung bezeichnen – zum Beispiel „Fachpsychotherapeut/in für Erwachsene (Verhaltenstherapie)“ oder „für Kinder und Jugendliche (Systemische Therapie)“.

Die unterschiedlichen Verfahren der Psychotherapie

PsychotherapeutInnen können sich in ihrer Weiterbildung und späteren beruflichen Tätigkeiten auf unterschiedliche Verfahren spezialisieren:

  • Die analytische Psychotherapie,
  • die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie,
  • die Verhaltenstherapie oder
  • die systemische Therapie, bei der die Beziehungen innerhalb einer Gruppe, zumeist der Familie, als Grundlage für die Diagnostik und Therapie betrachtet werden.
Interview mit einem Psychotherapeuten

Marcel von Rauchhaupt ist Facharzt für Psychotherapie und erzählt uns in unserem Podcast von seinem Alltag und besonders bewegenden Fällen.

Zum Podcast

Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Im Unterschied zu „PsychotherapeutInnen“ haben Fachärzte und Fachärztinnen für Psychiatrie und Psychotherapie Humanmedizin studiert. Das Gleiche gilt für FachärztInnen für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie. Diese Berufsgruppe darf psychische Erkrankungen und Störungen diagnostizieren und therapieren. Aufgrund ihrer medizinischen Ausbildungen können sie die körperlichen Ursachen von psychischen Störungen sowie die Wechselwirkung zwischen seelischen und körperlichen Funktionen feststellen. Sie dürfen Untersuchungen durchführen, Medikamente verschreiben und Atteste ausstellen. Zudem sind sie ExpertInnen für Suchterkrankungen und deren Auswirkungen auf Körper und Psyche.

Ihr Ausbildungsweg:

  • Studium der Humanmedizin (mindestens sechs Jahre) mit anschließender Approbation (staatliche Zulassung als Arzt oder Ärztin) und
  • eine mindestens fünfjährige Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie oder für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie in Kliniken und anderen Einrichtungen, die mit einer staatlichen Prüfung abgeschlossen wird. Stationen sind die Neurologie, Einrichtungen der stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen Patientenversorgung sowie ein weiteres Fachgebiet zum Beispiel die Kinder- und Jugendpsychiatrie oder die Psychosomatische Medizin.

FachärztInnen für Psychiatrie bzw. Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie können psychische Krankheiten wie Depressionen, Angststörungen oder Zwangserkrankungen auch mit Arzneimitteln behandeln. Sie haben das Recht dazu, die entsprechenden Medikamente zu verschreiben. Sie können aber auch mit Hilfe von Gesprächen und speziellen Übungen in Einzel- oder Gruppensitzungen therapieren.

Sozialpädagogen und Pädagogen mit therapeutischer Ausbildung

Bis zur Reform der PsychotherapeutInnen-Ausbildung konnten AbsolventInnen pädagogischer und sozialpädagogischer Studiengänge eine dreijährige Ausbildung zum/zur Kinder- und JugendpsychotherapeutIn machen. Das ist nun nur noch für diejenigen möglich, die vor dem 1. September 2020 ein Bachelorstudium der Sozialen Arbeit oder Pädagogik begonnen haben. Sie haben noch bis zum Jahr 2030 Zeit, ihre Ausbildung zur Kinder- und JugendpsychothetapeutIn abzuschließen. In begründeten Härtefällen kann die Prüfung noch bis Mitte 2035 abgelegt werden.

Kritik an Reform des Zugangs zur psychotherapeutischen Ausbildung 

Dass SozialarbeiterInnen und Pädagogen zukünftig keinen Zugang mehr zur PsychotherapeutInnen-Ausbildung haben, wird von einigen Seiten bemängelt. Die KritikerInnen argumentieren, dass viele seelische Leiden mit den sozialen Verhältnissen der Betroffenen zusammenhängen und daraus besser verstanden werden könnten. Zudem hätten Menschen die Soziale Arbeit studieren, häufig eine gute Fähigkeit, sich in andere einzufühlen.

Guter Arbeitsmarkt für angehende TherapeutInnen

Grundsätzlich haben PsychotherapeutInnen und PsychiaterInnen auf dem Arbeitsmarkt gute Chancen. Der Bedarf an Behandlung und Therapie von psychischen Störungen und Beschwerden sei deutlich gestiegen, meldet die Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). Bei Erwachsenen habe die Nachfrage um 40 Prozent zugenommen, bei Kindern und Jugendlichen sogar um 60 Prozent. Die jeweiligen Studiengänge sind jedoch sehr beliebt. Der Numerus Clausus liegt sowohl beim Medizin- als auch beim Psychologiestudium im oberen Einser-Bereich, sodass der Zugang zum Studium erschwert ist.

Titelbild: iStock.com/Nadija Pavlovic

Autor

Amely Schneider

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