Strahlenschutz und Dosimetrie

Wenn Strahlen krank machen

Sammlung von Röntgen- und MRT-Bildern
Juliane Beckmann | 6.10.2022 | Lesedauer: 3 Minuten

Die Entdeckung der Röntgenstrahlung revolutionierte die medizinische Diagnostik. Über die Risiken war sich anfangs niemand im Klaren – mit gravierenden Folgen.

Kinderfüße in ein nicht-abgeschirmtes Röntgengerät stecken, um die Passform eines Schuhs zu prüfen? Heute undenkbar. Zu Beginn der Arbeit mit Röntgenstrahlung im Jahr 1895 waren deren Risiken jedoch unbekannt, entsprechend sorglos war der Umgang damit. Im Laufe der Zeit änderte sich das. Ohne umfangreiche Schutzmaßnahmen arbeitet heute niemand an Orten, an denen zellschädigende Strahlung auftreten kann. 

Kinderfüße im Vordergrund, Hintergrund verschwommen

Um den perfekten Schuh zu finden, wurden Kinderfüße früher geröntgt.

Ein riesiger Schritt für die Diagnostik

Die Entdeckung der ionisierenden Röntgenstrahlung im Jahr 1895 von Conrad Röntgen bedeutete einen enormen Fortschritt für die medizinische Diagnostik. Dass die Strahlung allerdings mit schweren gesundheitlichen Risiken verbunden war, erkannte zunächst niemand. Im Gegenteil, da Conrad Röntgen seine Entdeckung nicht schützen ließ, konnte jeder frei mit der Technik arbeiten und experimentieren.

Öffentliche Durchleuchtungen waren beliebte Veranstaltungen. Besserverdienende nutzen Fluoroskope als Partygag, Pedoskope dienten in Schuhgeschäften der Durchleuchtung von Füßen – für eine bessere Passform insbesondere bei Kinderfüßen. Lange Belichtungszeiten ohne gesonderte Abschirmung der strahlenden Geräte waren üblich.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts hatte das gravierende Folgen, vor allem für Forschende, ÄrztInnen und technisches Personal in Röntgeneinrichtungen. Die gesundheitlichen Schäden reichten von Strahlungsdermatosen bis hin zu Krebserkrankungen, die häufig die Amputation von Gliedmaßen zur Folge hatten. Viele Menschen starben.

Als Initiator des Strahlenschutzes wird oft der US-amerikanische Zahnarzt William Herbert Rollins genannt, der bereits 1901 Schutzmaßnahmen vor Röntgenstrahlen wie Bleiverkleidungen oder kürzere Belichtungszeiten forderte, aber zunächst weitestgehend überhört wurde.

Das erste Strahlenmessgerät

Um herauszufinden, welche Strahlendosen unbedenklich sind, mussten Messgeräte entwickelt werden. Das erste bekannte Strahlenmessgerät stellte Guido Holzknecht 1902 vor, er nannte es „Chromoradiometer“. Mit diesem konnten Grenzwerte bestimmt werden, bis zu denen es noch nicht zu Hautveränderungen kommt – und damit voraussichtlich auch nicht zu schweren Schädigungen.

Im Oktober 1907 berichtete der Röntgenröhrenhersteller Rome Vernon Wagner auf der Tagung der American Roentgen Ray Society, dass er stets eine fotografische Platte bei sich trägt, sie abends belichtet und so ablesen kann, wie hoch seine Tagesdosis an Strahlung ist. Von Conrad Röntgen wurde Ähnliches berichtet. Auch er bemerkte, dass Fotoplatten in seiner Tasche belichtet wurden, wenn er bei Durchleuchtungen in der Nähe war. Seit dieser Entdeckung verließ er das Zimmer, wenn das Röntgengerät arbeitete.

Rome Vernon Wagner nutzte seine Überwachung nichts mehr, er starb ein halbes Jahr später an Krebs. Dennoch gilt sein Bericht als Grundstein für die moderne Filmdosimetrie, mit der einfallende ionisierende Strahlung durch Schwärzung fotografischen Materials nachgewiesen wird. Ab den 1920er-Jahren wurde die Filmdosimetrie offiziell für die routinemäßige Überwachung der Strahlenbelastung von betroffenem Personal eingesetzt.

Ein OSL-Dosimeter liegt zusammen mit einem blaen und rosafarbenen Trägerrahmen auf einem Tisch

Ein OSL-Dosimeter zusammen mit einem blauen und rosafarbenen Trägerrahmen.

Die moderne Dosimetrie

Ob und wie sehr Strahlung Körperzellen schädigt, hängt davon ab, wie viel ionisierender Strahlung die Zellen über einen bestimmten Zeitraum ausgesetzt sind. Ionisierend bedeutet, dass Atome oder Moleküle verändert werden, indem Elektronen entfernt werden. Was das für Auswirkungen auf den Körper hat, wenn das unkontrolliert passiert, hat man bei den Forschenden der ersten Stunde gesehen.

Heute gibt es umfangreiche Maßnahmen, um Menschen vor Strahlung zu schützen. Fachpersonal, das beruflich strahlenexponiert ist wie zum Beispiel Radiologen, wird etwa per Dosimeter überwacht. Ein Dosimeter zeigt an, wie viel ionisierende Strahlung jemand innerhalb einer bestimmten Zeitspanne angesammelt hat, um zu prüfen, ob die erlaubte Körperdosis an radioaktiver Strahlung laut §§ 64,65 Strahlenschutzverordnung nicht überschritten wird.

In der Dosimetrie gibt es verschiedene Bauarten – von Teilkörperdosimetern wie Fingerringdosimeter oder sogar Augendosimeter bis zu Ganzkörperdosimetern – und verschiedene Funktionsweisen. So kann die Strahlung durch Licht, Temperatur oder eine chemische Reaktion nachgewiesen werden. Die gebräuchlichsten Dosimeter sind etwa OSL-Dosimeter (Optisch Stimulierte Luminiszenz).

Mit einem Dosimeter, das regelmäßig ausgelesen wird, und umfassendem Strahlenschutz in den medizinischen Einrichtungen muss heute niemand mehr fürchten, aufgrund zu hoher Strahlenbelastung zu erkranken. Den großen Radiologie-PionierInnen zu Ehren, die für die Forschung ihr Leben gaben, gibt es in Hamburg das Ehrenmal der Radiologie. Es steht im Garten des Krankenhauses St. Georg in Hamburg-St. Georg.

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Titelbild: iStock.com/kool99

Autor

Juliane Beckmann

Online-Redakteurin mit viel Erfahrung und seit 2019 Teil der doctari Redaktion. Lernt gern dazu, mag Bindestriche und macht die Texte rund.

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