Für Arnhild Tontsch sind persönliche und berufliche Weiterentwicklung sowie freie Dienstplangestaltung wesentliche Vorteile der Zeitarbeit
privat
Sie bleiben Ihrem Beruf dennoch treu – als Zeitarbeitskraft, wieso?
Weil ich dank dieser Möglichkeit wieder selbstbestimmt arbeiten kann, in einem für mich gesunden Pensum. Als das Angebot von doctari kam, konnte ich zunächst gar nicht glauben, dass es so etwas tatsächlich gibt in meinem Beruf. Ohne Zeitarbeit wäre ich nicht mehr in der Pflege.
Würden Sie Zeitarbeit grundsätzlich empfehlen?
Unter bestimmten Voraussetzungen. Nach nur einem Jahr Berufserfahrung in Zeitarbeit zu gehen, macht keinen Sinn. Man muss als Zeitarbeitskraft sehr schnell gut funktionieren, da die Einarbeitungszeit in der Regel extrem kurz ist. Wenn ich Glück habe, sind es zwei Tage. Deshalb ist Berufserfahrung sehr wichtig.
Das heißt, die Anforderungen an Zeitarbeitskräfte sind höher?
In gewisser Weise schon. Man muss sich ständig weiterbilden, viel lesen und fachlich extrem gut sein, damit man überhaupt die Legitimation hat, da zu sein. Im Prinzip muss man immer etwas mehr wissen als die anderen, um an vielen Stellen einspringen zu können. Wer sagt ‚das weiß ich nicht’ oder ‚das kann ich nicht’, der bringt der Klinik in dem Moment nicht viel.
Das klingt eher nach einer Herausforderung. Wo liegen die Vorteile?
Zunächst ist die Bezahlung besser. Aber darum geht es mir gar nicht. Viel wichtiger ist für mich, dass ich meinen Dienstplan selbst mitgestalten kann. Ich bestimme, wie viel ich im Monat arbeiten möchte und dabei bleibt es auch. Außerdem ist man nicht mehr in das Stationsgeschehen involviert. Mobbing ist an vielen Kliniken ein Thema. Das wird durch uns Zeitarbeitskräfte aufgebrochen.
Das heißt, auch die Kliniken profitieren von Zeitarbeitskräften?
Ich habe Menschen getroffen, die nach 30 Jahren in die Zeitarbeit gewechselt sind. Das sind hochqualifizierte Frauen und Männer – davon können die Einrichtungen nur profitieren. Vor allem, wenn Zeitarbeitskräfte schon viel rumgekommen sind und Erfahrungen gesammelt haben.
"Viel wichtiger ist für mich, dass ich meinen Dienstplan selbst mitgestalten kann. Ich bestimme, wie viel ich im Monat arbeiten möchte und dabei bleibt es auch. "
Von den Erfahrungen der Mitarbeitenden auf Zeit profitieren auch die medizinischen Einrichtungen
iStock.com/gpointstudio
Wird das denn wertgeschätzt?
In der Regel sind die meisten Kliniken dankbar und freuen sich, dass jemand kommt und hilft. Oft höre ich auch die Frage ‚willst du nicht bleiben’ – das ist natürlich ein Ritterschlag und eine enorme Wertschätzung. Es gibt aber auch Fälle, wo von oberster Ebene aus gegen Zeitarbeitskräfte gewettert wird. Hier muss erst noch ein Umdenken stattfinden.
Würde das System denn ohne Zeitarbeit funktionieren – gerade in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie?
In Berlin wollte man im letzten Jahr Zeitarbeit verbieten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sich das durchsetzen wird, da es ohne Leiharbeitskräfte im Moment kaum funktioniert.
Sie engagieren sich in der Gewerkschaft. Was möchten Sie erreichen?
Ich habe selbst erlebt, dass Fachkräfte – gerade in Zeiten der Corona-Pandemie – viel geleistet haben und dafür nicht wertgeschätzt wurden. Bisweilen gab es eine Lohnerhöhung von einem Prozent – das ist nichts.
Wir versuchen deshalb gerade, ein Pflegebündnis zu gründen und die Probleme in die Medien zu bringen, mit denen wir täglich kämpfen. Allein dass die Pflegekräfte gehört werden, ist ein wichtiges Ziel.
Haben Sie Hoffnung auf Besserung?
Es ändert sich nichts, wenn niemand etwas macht. Und niemand macht etwas, wenn dafür keine Zeit ist. Darum ist Zeitarbeit enorm wichtig. Und immerhin ein Anfang, um etwas bewegen zu können.
Vielen Dank für das Gespräch!
Zum Weiterlesen und Hören: Arnhild Tontsch im Podcast mit pflegeFaktisch.
Sie lieben Ihren Beruf und geben jeden Tag alles für Ihre PatientInnen - wären da nicht die ungeplanten Schichten und die zusätzliche Arbeit? Gestalten Sie Ihren Dienstplan selbst und bestimmen Sie wann und wie viel Sie arbeiten.
Bildquelle (von oben nach unten): Karin Willms, ArnhildTontsch privat
Karin Greeck
Als freie Journalistin findet sie immer die richtigen Worte, um auch komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen. Spezialgebiete: spannende Interviews und Reportagen.
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