Die Stimme kann viel bewirken
Im Krankenhausalltag wird viel gesprochen, manchmal auch geflüstert, nicht selten diskutiert und oft getröstet. Dabei ist die Stimme eines der wichtigsten – wenn nicht das wichtigste – Werkzeug für Ärztinnen und Ärzte, um sich Gehör und Anerkennung zu verschaffen.
Sowohl im Umgang mit Patientinnen und Patienten als auch im täglichen Miteinander mit dem Team und Vorgesetzten ist eine gesunde Stimme essenziell. Aber auch der bewusste Umgang mit dem eigenen Stimmorgan spielt eine Rolle. Denn: Neben physiologischer Stimmgesundheit beeinflussen Aspekte wie Stimmtiefe, Lautstärke, Betonung, Satzlänge, -melodie oder Pausen, wie wir bei anderen ankommen.
Kurz gesagt: Stimme wirkt. Und wer sie richtig einsetzt, kann seine Wahrnehmung beim Gegenüber positiv beeinflussen. Dafür ist es jedoch wichtig, die eigene Stimme und ihren Ursprung gut zu kennen und bei Bedarf gezielt zu trainieren.
Wie das geht, weiß Sherin Dahi, Dozentin für Stimme an der Ludwig-Maximilian-Universität und Coach für Stimm-, Sprech- und Kommunikationstraining bei SPC in München. Für sie sind Stimme und Sprechweise „Werkzeuge, die wir gezielt verändern können“. Dafür lohnt es sich, Dahi zufolge, auch auf psychologischer Ebene dem eigenen Sprechverhalten auf die Spur zu gehen.
Nach dem zwanzigsten Patientengespräch kann schon mal die Stimme angegriffen sein
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Psychogene Aspekte: Die Stimme spricht Bände
Stellen wir uns einmal vor, eine Ärztin oder ein Arzt gibt am Krankenbett leise und zaghaft eine Behandlungsempfehlung, oder ein Kandidat stellt sich mit zittriger Stimme für ein offenes Stellenangebot vor. Weder strahlt das Kompetenz aus, noch entsteht so Vertrauen beim Gegenüber. Im Gegenteil: Wer nuschelt, wirkt unsicher. Wer zu leise spricht, will eigentlich mehr Aufmerksamkeit. Wer besonders hoch spricht, sucht Harmonie.
Dahinter stecken oft die frühsten Sprechversuche in der Kindheit, erklärt die Sprachtherapeutin: „Wer als Kind beim Abendessen nicht sprechen durfte oder sich bis heute nicht traut, seinem Vater beim Reden in die Augen zu schauen, kämpft später nicht selten mit einer Barriere in der Kommunikation – zum Beispiel mit älteren Herren.“ Das sei ein echter Klassiker, so Dahi. Gerade Frauen lassen sich in einem männerdominierten Umfeld buchstäblich oft kleinreden.
Umso wichtiger sei es, die Triggerpunkte zu erkennen und sich selbst zu hinterfragen, was dafür sorgt, dass ich so spreche, wie ich es eigentlich nicht will: „Was ist meine Intention in der Kommunikation? Was an meinem Gegenüber sorgt dafür, dass ich einen Kloß im Hals habe, mich kleiner mache oder höher spreche?“ Diese Fragen, so Dahi, sollte man sich zuallererst stellen.
Die Wirkung von Stimme – eine Lücke in der Medizin
Auf der anderen Seite müsse man sich bewusst machen, wie Stimme wirkt und was sie beim Gegenüber auslöst. „Unbewusst werten wir unheimlich viel über die Stimme“, erklärt die Stimmexpertin. „Eine hohe, zittrige Stimme kann dazu führen, dass ich jemanden für inkompetent halte, ohne dass ich mir bewusst bin, warum ich zu diesem Schluss komme.“
Zwar sei die Stimme ein sehr subjektiver Parameter, dennoch sollte ich mir bewusst sein, was Stimme alles auslöst, sagt Dahi und verweist auf eine Studie des Journal of Voice, die bereits 2012 belegte, dass junge Frauen durch sogenanntes Knarren (Fry) ihre Stimme veränderten, um mehr Intelligenz, Autorität und Entschlossenheit auszustrahlen. Generell sprechen Frauen heute nachweislich etwa 52 Hz tiefer als noch vor 20 Jahren.
Ein Trend, der sicher auch Frauen in der Medizin betrifft, wenngleich – für Frauen wie für Männer – in dieser Berufsgruppe das Thema Stimme in der medizinischen Ausbildung deutlich zu kurz komme, findet Dahi. „Gerade im medizinischen Bereich gibt es keine Vorbereitung darauf, welche Bedeutung der Stimme zukommt.“
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Ärztin oder Arzt: Prävention und Training für stimmstarke Berufe
Wenn Dahi Seminare in Kliniken gibt, hört sie oft, dass nach dem 20. Patienten die Stimme wegbricht, die Stimme müde ist oder handfeste Stimmprobleme auftreten. „Zwar spielt patientengerichtete Kommunikation im Medizinstudium eine Rolle, aber wie ich das stimmlich mache, wird nicht vermittelt“, weiß Dahi.
Studien zufolge sind mehr als 40 Prozent der sogenannten „professional voice users“ (BerufssprecherInnen) in ihrem Berufsleben von Stimmstörungen betroffen. Zu diesem Ergebnis kam die Universität Leipzig vor wenigen Jahren bei einer Untersuchung von mehr als 5.000 Lehrkräften. Dass auch Arzt- und Pflegeberufe zu den sehr beanspruchten Sprechberufen zählen, steht außer Frage. Während Lehrtätige jedoch schon im Studium Stimmseminare besuchen, fehlt dieser Aspekt im Medizinstudium.
Umso wichtiger sei eine proaktive Stimmpflege als Prävention vor Stimmstörungen im Klinik- und Praxisalltag, rät die Stimmtherapeutin.
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