Übergriffe im Krankenhaus

Gewalt gegen medizinisches Personal steigt fast überall an

Ein Klinikmitarbeiter hält eine Hand vor sein Gesicht und streckt die andere abwehrend nach vorne
Sabine Stahl | 25.1.2024 | Lesedauer: 3 Minuten

Immer häufiger erleben Pflegekräfte, Ärztinnen und Ärzte Gewalt und Belästigung im Rahmen ihrer Tätigkeit. Das zeigen diverse Umfragen. Der Trend betrifft ganz Deutschland.

In der Silvesternacht 2023 kam es in einem Berliner Krankenhaus zu einem tätlichen Angriff auf einen Arzt und einen Pfleger. Diese Szene, die von einer Überwachsungskamera festgehalten wurde, ist kein Einzelfall. In deutschen Krankenhäusern oder Notaufnahmen erleben medizinische Fachkräfte regelmäßig Gewalt wie ähnliche Umfragen voran gehender Jahre zeigen – Tendenz steigend.

Das zeigt eine aktuelle Umfrage des „Spiegel“ bei allen 16 Landeskriminalämtern. Demnach wuchs die Zahl der Übergriffe seit 2019 deutlich – und zwar um 20 Prozent auf fast 6.900 sogenannte Rohheitsdelikte. Betroffen sind alle Bundesländer bis auf eine Ausnahme. Besonders stark nahm die Gewalt gegen medizinische Fachkräfte in Berlin zu. In der Hauptstadt kletterte die Zahl der Übergriffe auf medizinisches Personal von 2019 bis 2023 um 51 Prozent nach oben. Noch höher war der Anstieg laut der vom „Spiegel“ veröffentlichten Zahlen im Saarland. Hier wurde von 2019 bis 2022 ein Plus von 67 Prozent gezählt, in Bremen betrug es 55 Prozent und in Niedersachsen 46 Prozent.

Bayern meldete als einziges Bundesland ein Minus. Das liegt allerdings daran, dass in Bayern im Jahr 2019 sehr viele Gewalttaten gegen medizinisches Personal gemeldet wurden. Vergleicht man die Zahlen aus dem Jahr 2018 mit denen von 2022 zeigt sich auch hier ein Wachstum von 771 auf 1.059 Fälle.

Ein nächtlicher Rettungseinsatz, bei dem ein Patient auf einer Bahre gerade zum Rettungswagen geschoben wird.

Rettungskräfte erleben besonders häufig Übergriffe von PatientInnen oder Angehörigen.

Sexuelle Belästigung in stationären Einrichtungen

Neben tätlichen Übergriffen erlebt medizinisches Personal auch häufig sexuelle Belästigung oder Gewalt. Eine Befragung der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) im Jahr 2022 ergab, dass 38 Prozent der Pflegekräfte in Krankenhäusern und Reha-Kliniken mindestens einmal pro Jahr auf sexuelle Weise körperlich belästigt wurden. 6,6 Prozent erlebten dies alle paar Monate.

Wieso greifen Menschen Pflegepersonal und ÄrztInnen an?

Ihr Beruf ist es, anderen zu helfen. Aus diesem Grund ist es für die meisten Menschen völlig unverständlich, wie es zu solchen Übergriffen und Attacken auf medizinisches Personal kommen kann und wieso die Zahlen seit Jahren steigen. In der Silvesternacht in Berlin traf Alkohol auf das Gefühl, benachteiligt zu werden, also nicht schnell genug behandelt zu werden. Beides sind typische Gründe für Attacken auf medizinisches Personal und auch die Erklärung dafür, dass vor allem Rettungskräfte und Mitarbeitende von Notaufnahmen Opfer von Gewalt werden. Denn hier befinden sich die PatientInnen und ihre Angehörigen in Ausnahmesituationen und reagieren oft sehr emotional.

Bei einer Befragung durch das Deutsche Rote Kreuz unter Rettungskräften gab ein Fünftel der Befragten an, mindestens ein- bis zweimal pro Woche beleidigt oder beschimpft zu werden. 14 Prozent erlebten nach eigenen Angaben innerhalb eines Jahres körperliche Gewalt. In 75 Prozent der Fälle sind PatientInnen die TäterInnen. Oft sind sie alkoholisiert oder anderweitig berauscht, interpretieren die Hilfe der Fachkräfte falsch und wehren sich körperlich dagegen. „Die Ergebnisse sind erschreckend. Wir müssen leider feststellen, dass Beleidigungen, Beschimpfungen und auch körperliche Übergriffe mittlerweile zum Alltag im Rettungsdienst gehören“, sagt Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des DRK, zu den vom Roten Kreuz ermittelten Zahlen.

Prävention gegen Gewalt in Krankenhäusern

Mögliche Maßnahmen gegen die steigenden Übergriffe in medizinischen Einrichtungen sind beispielweise Deeskalationstrainings, Supervision und Fallbesprechungen. Das Thematisierungen innerhalb des Teams beziehungsweise mit den Betroffenen ist vor allem wichtig, um psychische Folgen für die Opfer zu minimieren.

Titelbild: iStock.com/Pofuduk Images

Autor

Sabine Stahl

Die erfahrene Journalistin und Medizin-Redakteurin arbeitet seit 2021 in der doctari-Redaktion und beschäftigt sich am liebsten mit Ratgeber- und Statistikthemen.

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