Die Straßen sind voll, der Luftraum leer: Auf so simple Weise könnte man den größten Vorteil des Transports von Gewebeproben, Blut oder gar Organen per Drohne herunterbrechen. Tests zur Eroberung des Luftraums im Dienst von Klinken, Krankenhäusern und Laboren gibt es deshalb viele. Deutschlandweit. Europaweit. Weltweit. In Ruanda fliegen Drohnen mit Medikamenten und Blutkonserven bereits seit Längerem in abgelegene Krankenhäuser.
Im März 2023 wurde das EU-weite Pilotprojekt „Airmour“ in Kassel vorgestellt. Hierbei wird der Einsatz von Drohnen im medizinischen Dienst in sechs europäischen Ländern getestet, die deutsche Pilotregion von „Airmour“ befindet sich in Nordhessen. Dort sollen noch im Laufe des Jahres erste Testflüge stattfinden, bei denen Drohnen beispielsweise Gewebeproben während einer laufenden Operation in die Pathologie fliegen.
Erste europaweite Regelgenehmigung
Während in Kassel an den Testflügen gebastelt wird, ist das Land Baden-Württemberg schon einen wichtigen Schritt weiter. Das Regierungspräsidium Stuttgart hat eine Genehmigung für Drohnenflüge zwischen den Helios-Kliniken Breisach und Müllheim erteilt. Das Besondere daran: Die Genehmigung für den Regelbetrieb ist im Medizinsektor die erste ihrer Art in Europa, sagt das Klinikum selbst. Bislang musste jeder derartige Flug einzeln genehmigt werden. Grund dafür, dass es bislang keine solche Pauschalgenehmigung gab, sind Sicherheitsbedenken. Schließlich fliegen die Drohnen über Wohngebiete, das Klinikgelände und über den regulären Straßenverkehr. Sollte eine solche Drohne abstürzen, könnte das schwerwiegende Folgen haben.
Diese Drohne soll bald zwischen Breisach und Müllheim pendeln
Benjamin Stollenberg, RKH Gesundheit
Was genau soll per Drohne transportiert werden?
Der erste Flug zwischen Breisach und Müllheim soll im August dieses Jahres abheben. Transportiert werden dann in erster Linie Blut- und Gewebeproben. Die Vorteile sieht Enrico Jensch, COO von Helios darin, dass der „Transport in der Luft schneller, zuverlässiger und umweltfreundlicher (ist) als auf der Straße. Er macht uns unabhängiger vom Landverkehr und eröffnet völlig neue Perspektiven in Bezug auf Laborstandorte und deren Auslastung.“
Neben der Strecke Breisach-Müllheim ist der Einsatz der Drohnen für weitere Strecken geplant. Dafür hat die Klinik einen Fernpiloten eingestellt, der Drohnen steuern kann, selbst wenn er sie nicht sieht. Die dafür vorgesehene Drohne wiegt in etwa drei Kilogramm und kann bis zu 75 km/h schnell fliegen. Ihre Reichweite beträgt 100 Kilometer.
Versorgung im ländlichen Raum verbessern
Denkbare Einsatzmöglichkeiten für Drohnen im Gesundheitswesen gibt es viele. Im Jahr 2021 testete das Bundesgesundheitsministerium eine drohnengestützte Blutbank etwa für die Versorgung im ländlichen Raum. Das seit März laufende Projekt in Hessen setzt vor allem auf schnelle Diagnostik während einer OP. Dabei werden Gewebeproben, sogenannte Schnellschnitte, bei einer laufenden Operation entnommen und ins Labor geflogen. Die Untersuchung dieser Probe entscheidet über das weitere Vorgehen der ChirurgInnen. Der Patient oder die Patientin verbleibt in dieser Zeit in Narkose. Was mit dem Auto bislang etwa eine Stunde dauern würde, könnte nun innerhalb von wenigen Minuten passieren, sagen die Verantwortlichen.
Herausforderungen des Drohnenflugs
Der Transport durch die Luft geht deutlich schneller als der durch den Straßenverkehr. So viel ist klar. Allerdings gibt es bei der neuen Art des Transports noch viele Unbekannte. So hat eine Studie am Universitätsklinikum Köln untersucht, welchen Einfluss der Flug auf Blutproben hat. Denn Blutproben sind empfindlich, das gilt sowohl für Temperaturschwankungen als auch für Vibrationen.
Aus diesem Grund wurden Blutproben zum Vergleich in einer Drohne, in einer Drohne mit Vibrationsschutz und auf regulärem Weg auf dem Boden transportiert und anschließend verglichen. Hierbei zeigten sich keine nennenswerten Unterschiede bei der Auswertung. Allerdings wurde im Rahmen der Studie erkannt, welch großer Aufwand der Drohnenbetrieb hinsichtlich der Überwachung des Flugraums darstellen kann. Da in einem großen Klinikum wie in Köln auch Hubschrauber starten und landen, musste jeder Drohnenflug einzeln an- und abgemeldet werden.
Dieses aufwändige Prozedere entfällt mit der neuen Genehmigung in Baden-Württemberg zunächst für diese eine Strecke. Für die Branche und alle anderen Testenden bedeutet das einen großen Schritt nach vorne, der neue Erkenntnisse liefern dürfte und somit alle ein Stück voranbringt. Nicht nur die Klinken in Breisach und Müllheim.
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