Wie wird man Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie?

Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie

Wer einen Titel als Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie tragen möchte, muss eine umfangreiche Weiterbildung absolvieren. Inhalte und Ablauf werden nachfolgend erklärt.

Weiterbildung zum Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

Einen Titel als Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie kann man nach einem Medizinstudium und der Approbation erwerben. Die Weiterbildung dauert fünf Jahre (60 Monate), wovon ein Jahr (12 Monate) in der Neurologie und zwei Jahre (24 Monate) in der stationären psychiatrischen und psychotherapeutischen Patientenversorgung verbracht werden müssen. Es können bis zu zwei Jahre (24 Monate) im ambulanten Bereich abgeleistet werden. Darüber hinaus jeweils bis zu ein Jahr (12 Monate) in Fachgebieten wie der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie oder Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie.

Das Fachgebiet Psychiatrie und Psychotherapie beschäftigt sich mit der Vorbeugung, Erkennung und Behandlung somatotherapeutischer, psychotherapeutischer sowie sozial-psychiatrischer Erkrankungen. Außerdem gehört die Rehabilitation von psychischen Erkrankungen und psychischen Störungen im Zusammenhang mit körperlichen Erkrankungen zu seinen Aufgaben. Weil zu dem Zuständigkeitsbereich des Facharztes auch die Betreuung von Patienten mit Suchterkrankungen gehört, müssen sie sich besonders gut mit den Schäden auskennen, die entsprechende Mittel am menschlichen Körper ausrichten. Weil dieses Thema sehr sensibel ist, gehören auch psychosoziale Anteile zur Facharzt-Weiterbildung.

Weiterbildungsinhalte des Facharztes für Psychiatrie und Psychotherapie

Wer als Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie arbeiten möchte, muss folgende Kompetenzen erwerben (Auswahl):

  • Übergreifende Inhalte zu Gesetzen und Richtlinien
  • Psychiatrische Krankheitslehre und Diagnostik
  • Behandlung psychischer Erkrankungen und Störungen
  • Suchtmedizinische (Grund-)Versorgung
  • Prävention und Rehabilitation
  • Notfälle
  • Selbsterfahrung
  • Neurologie im Rotationsjahr

Zudem können die ärztlichen Psychiater und Psychotherapeuten den Schwerpunkt „Forensische Psychiatrie“ absolvieren. Dieser dauert nochmals zwei Jahre (24 Monate) und baut auf der Facharzt-Weiterbildung „Psychiatrie und Psychotherapie“ auf. Hierbei geht es um den Kompetenzerwerb im Umgang mit psychisch kranken, gestörten und behinderten Menschen, bei denen kriminelle Handlungen eine Rolle spielen.

Eine Weiterbildung zur Psychiaterin bzw. zum Psychiater kann auch für den Arzt psychisch belastend sein. Denn er kommt in der Ausübung seiner Tätigkeit unter Umständen mit heftigen Schicksalen oder sogar Straftätern in Berührung. Dennoch zählt die Weiterbildung zum Facharzt Psychiatrie und Psychotherapie zu den beliebtesten und begehrtesten Ausbildungen.

Alle Inhalte der Weiterbildung im Detail

Inhalte der Facharzt-Weiterbildung Psychiatrie und Psychotherapie:

  • Wesentliche Gesetze, Verordnungen und Richtlinien
  • Deeskalierende Maßnahmen im Vorrang zu Zwangsmaßnahmen
  • Wissenschaftlich begründete Gutachtenerstellung
  • Grundlagen hereditärer Krankheitsbilder
  • Indikationsstellung für eine humangenetische Beratung

Psychiatrische Krankheitslehre und Diagnostik:

  • Allgemeine und spezielle Psychopathologie
  • Grundlagen der Diagnostik und Therapie psychischer Erkrankungen und Störungen unter Einbeziehung biologischer, psychologischer und sozialer Faktoren
  • Somatische, insbesondere neurobiologische, soziale und psychologische Grundlagen und Differentialdiagnostik sowie Verlauf psychischer Erkrankungen und Störungen einschließlich Transitionsphasen
  • Grundlagen der Psychotherapie in den wissenschaftlich anerkannten Verfahren, insbesondere der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie, der Verhaltenstherapie, der systemischen Therapie sowie der Neuropsychologie
  • Grundlagen der somatischen und psychotherapeutischen Behandlung in der forensischen Psychiatrie
  • Psychodiagnostische Testverfahren, neuropsychologische und neurophysiologische Untersuchungs- und Behandlungsmethoden
  • Psychiatrische und psychotherapeutische Anamnese- und Befunderhebung unter Einbeziehung familiärer, psychosozialer,
    altersspezifischer, epidemiologischer und transkultureller sowie kultur- und werteorientierter Gesichtspunkte einschließlich der Anwendung standardisierter Verfahren sowie Fremd- und Selbstbeurteilungsskalen
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation von elektrophysiologischen Methoden, z. B. Elektroenzephalographie
  • Indikationsstellung und Befundinterpretation bildgebender Verfahren, z. B. kraniale Computertomographie, Kernspin- und Positronen-Emissions-Tomographie
  • Lumbalpunktionen einschließlich der Interpretation von Liquordiagnostik
  • Grundlagen der neuropsychiatrischen Differentialdiagnostik und der klinischneurologischen Diagnostik
  • Psychiatrische und psychotherapeutische Konsiliar und/oder Liaisondienste
  • Diagnostik von psychischen Erkrankungen und Störungen im Alter unter Berücksichtigung von Multimorbidität und Einbeziehung des psychosozialen Umfeldes

Behandlung psychischer Erkrankungen und Störungen:

  • Psychische Erkrankungen und Störungen im Kindes- und Jugendalter
  • Technik der Behandlung durch Spezialtherapeuten, z. B. Ergotherapeuten, Physiotherapeuten, Heilpädagogen, Sprach-, Bewegungs- und Kreativtherapeuten
  • Angehörigenarbeit und trialogische Arbeit
  • Spezielle Versorgungsformen, z. B. Home Treatment, Akutbehandlung im häuslichen Umfeld, Interventionen in den Bereichen Wohnen und Arbeit
  • Einleitung von Maßnahmen zur Wiederherstellung der Selbstständigkeit und Minderung der Pflegebedürftigkeit, zur Sicherung der Geschäftsfähigkeit sowie Einleitung von Vorsorgevollmacht, Betreuung und Pflege
  • Psychiatrische und psychotherapeutische Therapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen mittels bio-psycho-sozialem Behandlungsansatz unter Berücksichtigung der Transitionsphasen
  • Therapie von Traumafolgestörungen mittels wissenschaftlich anerkannten Verfahren bei Patienten
  • Grundlagen der Psychopharmakologie
  • Somatische Therapieverfahren, z. B. Lichttherapie, Stimulationsverfahren, Schlafphasenverschiebung und Wachtherapie
  • Grundlagen der psychosozialen Therapien
  • Einleitung und Überwachung von ergotherapeutischen, sport- und bewegungstherapeutischen und kreativtherapeutischen Maßnahmen
  • Mitbehandlung von Folgen psychischer Erkrankungen und Störungen auf somatische Funktionen sowie Behandlung von Folgen somatischer Erkrankungen auf psychische Funktionen
  • Behandlung von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen aufgrund von Störungen der Schlaf-Wach-Regulation, der Schmerzwahrnehmung und der Sexualentwicklung und -funktionen einschließlich Störungen der sexuellen Identität
  • Psychopharmakotherapie einschließlich Drugmonitoring, der Erkennung und Verhütung unerwünschter Therapieeffekte sowie der Probleme der Mehrfachverordnung und Risiken des Arzneimittelgebrauchs unter Einbeziehung rechtlicher, ökonomischer und ethischer Fragen einschließlich der Besonderheiten der Pharmakologie im Alter
  • Mitwirkung bei Elektrokonvulsionstherapie (EKT) und anderen Hirnstimulationsverfahren
  • Therapie von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen im Alter unter Berücksichtigung von Multimorbidität, Polypharmazie und Einbeziehung des psychosozialen Umfeldes
  • Grundlagen der Palliativmedizin
  • Entspannungsverfahren, z. B. autogenes Training, progressive Muskelrelaxation, Hypnose
  • Anwendung supportiver und psychoedukativer Methoden
  • Psychiatrisch-psychotherapeutische Gesprächsführung und Beziehungsgestaltung unter Berücksichtigung von Syndrom und
    Krankheitsstadium, der eingeschränkten kognitiven und affektiven Wahrnehmungsfähigkeit und Introspektionsfähigkeit des Patienten
  • Psychotherapeutische evidenzbasierte Kurzinterventionen (Techniken), die aus den wissenschaftlichen anerkannten Therapieverfahren und -methoden hergeleitet sind, in
    Therapieeinheiten in vier Sitzungen á mindestens 20 Minuten
  • Durchführung wissenschaftlich anerkannter Psychotherapieverfahren und Methoden, insbesondere ENTWEDER im verhaltenstherapeutischen Verfahren ODER im psychodynamischen/tiefenpsychologischen Verfahren ODER im Verfahren der systemischen Therapie (Einzel-,Paar- oder Familientherapie)
    • Theorie- und Fallseminare in Stunden
    • dokumentierte Fälle Einzelpsychotherapie (bei systemischer Therapie auch Paar- und Familientherapie) mit Patienten in der jeweiligen Grundorientierung, davon
      • Kurzzeitpsychotherapien von 5 – 25 Stunden Therapiedauer
      • Psychotherapien von mindestens 25 Stunden Therapiedauer
      • Langzeittherapien von mindestens 45 Stunden Therapiedauer
  • Gruppenpsychotherapie in der gewählten Grundorientierung mit 3 bis 9 Teilnehmern unter Supervision in Stunden
  • Koordination der sozialpsychiatrischen Behandlung
  • Behandlung psychischer Erkrankungen und Störungen bei Menschen mit Behinderung und mit Intelligenzminderung

Suchtmedizinische (Grund-)Versorgung:

  • Entzugs- und Substitutionsbehandlung
  • Krisenintervention und suchtmedizinische Notfälle
  • Qualifizierte Entzugsbehandlung aller stoffgebundenen Süchte, insbesondere Alkohol, Medikamente, Nikotin und illegale Drogen
  • Suchthilfesystem, z. B. Beratungsstellen, Selbsthilfegruppen
  • Anamneseerhebung bei Menschen mit substanzabhängigen und substanzunabhängigen Abhängigkeitserkrankungen einschließlich der Berücksichtigung der Motivationsentwicklung und des sozialen Umfeldes, davon
    • dokumentierte Fälle
  • Suchtmedizinische Behandlung und Beratung von Menschen mit krankhaftem stoffgebundenen und nicht stoffgebundenen Suchtverhalten mit Anwendung von somatotherapeutischen und psychotherapeutischen Verfahren einschließlich der motivierenden Gesprächsführung, davon
    • dokumentierte Fälle mit jeweils mindestens 5 Sitzungen

Prävention und Rehabilitation:

  • Klassifikationsmodelle der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit von Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen, z. B. International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF)
  • Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention bei psychischen Erkrankungen und Störungen einschließlich Suchterkrankungen, auch bei Ko- und Multimorbidität mit somatischen Krankheiten
  • Primärprävention psychischer Störungen in Familien mit psychisch kranken Eltern
  • Beratung, Koordination, Begleitung und Einleitung präventiver und rehabilitativer Maßnahmen zur Teilhabe an allen Lebensbereichen einschließlich Suchterkrankungen
  • Befunderstellung für Rehabilitationsanträge

Notfälle:

  • Krisenintervention bei Suizidalität, Intoxikation, Delir, maniformen Syndromen, katatonen Syndromen, akuten Angstzuständen, dissoziativen Syndromen und anderen Notfällen bei Menschen mit psychischen Erkrankungen und Störungen

Selbsterfahrung:

  • Personale Kompetenzen und Beziehungskompetenzen
  • Einzelselbsterfahrung und/oder Gruppenselbsterfahrung ENTWEDER im verhaltenstherapeutischen Verfahren ODER im psychodynamischen/tiefenpsychologischen Verfahren ODER im Verfahren der systemischen Therapie in Stunden, welche im gleichen psychotherapeutischen Verfahren erfolgen muss, in welchem die Psychotherapiestunden geleistet werden, davon
    • Doppelstunden in einer kontinuierlichen Gruppe
  • Balintgruppenarbeit oder interaktionsbezogene Fallarbeit in Doppelstunden

Neurologie im Rotationsjahr:

  • Neuropsychologisch-neuropsychiatrische Diagnostik zur Erfassung neuropsychologischer Syndrome wie Störungen der Orientierung, der Aufmerksamkeit und der Konzentration, der Sprache, z. B. bei Frontalhirnsyndromen
  • Kopf- und Gesichtsschmerzen, zentrale und periphere Schmerzsyndrome
  • Grundlagen der neuropsychiatrischen Differentialdiagnostik und der klinischneurologischen Diagnostik, insbesondere der
    verschiedenen Formen erworbener neuropsychiatrischer Erkrankungen
  • Neurologische Anamnese und klinischneurologische Befunderhebung, insbesondere unter Beachtung motorischer Symptome und Syndrome, z. B. Gangstörung, Akinese, Rigor, Tremor und Sprachstörungen wie Aphasie, Sprechapraxie und Dysarthrie
  • Erkennung und Umgang mit
    • vaskulären Erkrankungen des Gehirns, insbesondere Ischämien und Blutungen
    • entzündlichen und Autoimmunerkrankungen des Nervensystems
    • anfallsartigen Störungen des Bewusstseins und Epilepsien
    • Hirntumoren und anderen raumfordernden Prozessen
    • degenerativen Erkrankungen des Nervensystems mit dem Leitsymptom Demenz und Basalganglienerkrankungen, insbesondere Parkinsonsyndrome
    • somatoforme Störungen der Motorik
  • Grundlagen neuropsychologischer Therapien nach Hirnschädigung und bei Hirnfunktionsstörungen
  • Durchführung und Befunderstellung von standardisierten Testverfahren und Skalen bei neuropsychologischen/verhaltensneurologischen Störungen
  • Hirnorganische Ursachen für psychiatrische Erkrankungen

Bildquelle: iStock.com/Zinkevych