Keine falschen Hoffnungen

Der richtige Umgang mit Angehörigen

Junge Ärztin blickt nachdenklich aus dem Fenster.
29.8.2022 | Lesedauer: 5 Minuten

Drängende Fragen beantworten oder schlechte Nachrichten überbringen: Wir geben Tipps, wie Sie trotz Zeitmangel und eigener emotionaler Belastung ein gutes Gespräch führen können.

Angehörige sind für eine erfolgreiche Therapie und die Unterstützung der Patienten und Patientinnen von hoher Bedeutung. Für das medizinische Personal kann der Umgang mit den nahestehenden Personen jedoch zeitintensiv, fordernd oder sogar belastend sein. Die gute Nachricht: Die richtige Kommunikation mit Angehörigen lässt sich lernen.

Welche Situationen können für Mediziner entstehen?

Im Klinik- und Praxisalltag ist die Kommunikation mit Angehörigen in verschiedenen Situationen erforderlich. Die Interaktion wird dann notwendig, wenn der Patient oder die Patientin nicht für sich selbst sprechen kann, weil er oder sie zum Beispiel im Koma liegt. Bei schweren Erkrankungen kann es zudem vorkommen, dass die Angehörigen in die Behandlung mit einbezogen werden sollen. Die Herausforderung für das medizinische Personal wächst dabei mit den Bedrohungen, denen der Patient ausgesetzt ist ­– von chronischen Erkrankungen bis hin zum schlimmsten Szenario, dem Tod des Patienten.

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Wie können Ärzte, Ärztinnen und Pflegekräfte reagieren?

Krankheiten, eventuell sogar schwere Erkrankungen, lösen bei nahen Angehörigen teilweise heftige Emotionen wie Wut, Angst und Aggression aus. Dies liegt daran, dass die Angehörigen sich hilflos fühlen, traurig, geschockt oder verzweifelt sind.

Für das medizinische Personal bedeutet diese Situation eine große zusätzliche Belastung. Krankenschwester Viktoria Weizel rät dazu, die Angehörigen in solchen Situationen zunächst einmal zu beruhigen. „Oft hat man, obwohl viel zu tun ist, ein oder zwei Minuten, um die dringendsten Fragen zu beantworten“, sagt Weizel. Wenn wirklich gar keine Zeit bleibt, weil viele Aufgaben im Krankenhaus nicht warten können, dann sollte das medizinische Personal genau dies kommunizieren. Zugleich sollten Ärztinnen, Ärzte und Pflegfachkräfte ein Gespräch zu einem späteren Zeitpunkt anbieten, beispielsweise durch einen Rückruf.

Schlechte Nachrichten übermitteln

Bei Gesprächen mit Angehörigen ist Empathie seitens des medizinischen Personals besonders wichtig. Vor einem Gesprächstermin sollte sich die Pflegekraft, die Ärztin oder der Arzt deshalb in die Position des Angehörigen hineinversetzen und Verständnis für möglicherweise emotionales Verhalten zeigen. Es ist ratsam, das Gespräch an einem ruhigen Ort zu führen und nicht auf dem Krankenhauskorridor.

Bei schwerkranken Patienten empfinden MedizinerInnen die Fragen von Angehörigen oft als besonders belastend. In solchen Situationen sollte der Arzt, die Ärztin oder die Pflegekraft versuchen, die konkreten Ängste und Sorgen zu verstehen und darauf einzugehen, rät Viktoria Weizel. „Medizinisches Personal sollte Angehörigen auf keinen Fall falsche Hoffnungen machen. Stattdessen können Informationen zu den kleinen Erfolgsmomenten des Tages ein gutes Gefühl geben“, sagt Weizel. Es hilft außerdem sehr, den Angehörigen zu sagen, dass die Liebsten schmerzfrei sind und nicht leiden.

Traurig blickende Angehörige im Gespräch mit einer Ärtzin.

Die wichtigsten Regeln für ein gutes Gespräch mit Angehörigen

Bei Gesprächen mit Angehörigen von Patienten ist es wichtig, sich so einfach und konkret wie möglich auszudrücken. Die Angehörigen befinden sich womöglich in einer Stress- oder Schocksituation und sind nicht voll aufnahmefähig. ÄrztInnen sollten aus diesem Grund klar kommunizieren, am besten in kurzen Sätzen.

Eine Studie hat ergeben, dass die Begriffe „positiver Befund“ und „negativer Befund“ für Laien schwerer zu verstehen sind als „auffälliger Befund“ versus „unauffälliger Befund“. Für die Angehörigen hat es zudem große Bedeutung, mit möglichst ein und derselben Ansprechperson zu kommunizieren.

Bei der Kommunikation mit Angehörigen sollten Pflegefachkräfte und ÄrztInnen folgende Regel beachten:

  1. 1.
    Das Gespräch findet an einem ruhigen Ort statt
  2. 2.
    Eine gute Vorbereitung unterstützt die Gesprächsführung
  3. 3.
    Empathie beruhigt die Angehörigen
  4. 4.
    Wertschätzendes Zuhören hilft dabei, die konkreten Ängste zu verstehen
  5. 5.
    Pausen geben den Angehörigen Zeit, die Informationen zu verstehen
  6. 6.
    Raum für die Gefühle der Angehörigen zulassen
  7. 7.
    Konkrete Handlungsempfehlungen geben Sicherheit
  8. 8.
    Informationen in klaren und kurzen Sätzen übermitteln
  9. 9.
    Medizinische Fragen hintenanstellen
  10. 10.
    Angehörige in die Behandlung einbeziehen
Ein Arzt zeigt einem Mann und einer Frau Untersuchungsergebnisse.

Welche (Aus-)Wege gibt es, wenn die Kommunikation stockt?

Sollte der Umgang mit Angehörigen zu belastend sein, ist es unumgänglich, weitere Personen einzuschalten. Für medizinisches Personal in einem Krankenhaus bedeutet das, die Angelegenheit zur nächsthöheren Ebene (z. B. zum Vorgesetzten) zu tragen. Das ist wichtig, um sich weiterhin auf die eigentliche Arbeit konzentrieren zu können und arbeitsfähig zu bleiben.

Eine Alternative ist das Einbeziehen externer Experten. Dies ist im Alltag aber oftmals schwierig umsetzbar. Deswegen haben viele Einrichtungen eigens geschultes Personal. Das sind beispielsweise Pflegefachkräfte, die eine Fortbildung in Krisenkommunikation absolviert haben. Bei sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten mit Angehörigen benötigt man eine Dolmetscherin oder einen Dolmetscher. Bei unlösbaren Herausforderungen auf der inhaltlichen Ebene sollte man nicht zögern, die Angelegenheit an Dritte zu tragen.

Bei einem Todesfall oder einer unheilbaren Krankheit gibt es speziell geschulte HospizbegleiterInnen. Diese kennen die emotionalen Reaktionen von Betroffenen und Angehörigen genau und können bedarfsgerecht auf diese eingehen. Alternativ können sich Ärzte und Ärztinnen in dieser Hinsicht weiterbilden. In sogenannten Befähigungsseminaren lernen sie alles, was sie zum Umgang mit Angehörigen wissen müssen.

Wo und wie können ÄrztInnen und Pflegekräfte sich schulen?

Für medizinisches und therapeutisches Personal ist es wichtig, sich die Belastung durch schwierige Angehörige bewusst zu machen und sich möglichst frühzeitig professionelle Unterstützung zu suchen. Um psychosoziale Belastungen abzufedern, empfiehlt sich das Einbeziehen eines Supervisors. Das sind beispielsweise Vorgesetzte, die sich Zeit nehmen, die Erlebnisse strukturiert zu besprechen. Dabei liegt der Fokus nicht darauf, gute Tipps zu geben, sondern man sollte möglichst frei die Erlebnisse reflektieren können und selbst zu einer Lösung für zukünftige Gesprächssituationen gelangen.

Die Intervision, also die kollegiale Beratung, kann ähnliche Erfolge erzielen. Hier agiert nicht der Chef als Gesprächspartner, sondern eine hierarchisch gleichgestellte Person, die meist Ähnliches Erlebt hat und von eigenen Erfahrungen berichten kann. Dieser Austausch auf Augenhöhe hilft vielen Betroffenen. Zudem gibt es die Möglichkeit, externes Personal wie Coaches oder Psychotherapeuten hinzuzuziehen.

Zur Selbstschulung im Team haben sich strukturierte Rollenspiele bewährt. Es ist wichtig, dass sämtliche Maßnahmen zum Erlernen kommunikationstheoretischer Fähigkeiten strukturiert und möglichst professionell begleitet ablaufen sollten. Krisenkommunikation lässt sich lernen. Hierzu gibt es auch im Internet sehr viele Angebote. Ansätze findet man unter Schlagworten wie Systemische Beratung bzw. Systemische Selbsthilfe.

Weiterführende Informationen: Kommunikationsmodelle

Für medizinisches Personal kann es sinnvoll sein, sich darüber hinaus zur Kommunikation mit Patientinnen und Patienten sowie deren Angehörigen einige kommunikationstheoretische Kniffe anzueignen. Hierfür wurden von WissenschaftlerInnen diverse Kommunikationsmodelle entwickelt.

Zu den bekanntesten Modellen gehören die Axiome nach Watzlawick und das Vier-Ohren-Modell nach Schulz von Thun. Die Modelle helfen, die Kommunikation mit den Mitmenschen besser zu verstehen und steuern zu können. Weitere Kommunikationsmodelle zum Einsatz bei Angehörigen und PatientInnen sind das Eisbergmodell (Sigmund Freud), die Transaktionsanalyse, das Organon-Modell sowie das Sender-Empfänger-Modell.

Titelbild: iStock.com/Moyo Studio

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