Im Gesundheitswesen fehlt Personal. Hier, da, dort und überhaupt überall. Das wissen wir – und zwar schon lange. Die Ideen, diesem Fachkräftemangel zu begegnen, sind vielfältig. Eine davon sieht mehr Kompetenzen für Pflegekräfte vor. Doch sind PatientInnen bereit dafür? Ja, sagen die Ergebnisse einer aktuellen Umfrage. Demnach würden sich 79 Prozent von einer Pflegeperson behandeln lassen. Konkret wurde nach einer medizinischen Ersteinschätzung gefragt, die von einer akademisch ausgebildeten Pflegekraft durchgeführt werden soll. 32 Prozent antworteten auf diese Frage mit einem klaren „Ja“, 47 Prozent mit „eher ja“. Skeptisch waren 14 Prozent, die „eher nein“ antworteten. 3 Prozent würden dies entscheiden ablehnen.
Akademische Ausbildung für Pflegekräfte
Die Bundesregierung hat die Ausweitung der Kompetenzen von Pflegekräften längst beschlossen. Im Koalitionsvertrag steht: „Professionelle Pflege ergänzen wir durch heilkundliche Tätigkeiten und schaffen u. a. das neue Berufsbild der „Community Health Nurse“. Die heilkundlichen Tätigkeiten waren bislang Ärztinnen und Ärzten vorbehalten. Der neue Beruf „Community Health Nurse“ kann bereits heute im Rahmen eines Masterstudienganges erlernt werden. Das ist zum Beispiel in Witten, München und Dresden möglich.
Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) sprach im Rahmen des Deutschen Pflegetages Ende September 2023 in Berlin von einem neuen Gesetz, das Pflegekräften mehr Kompetenzen einräumen soll. „Das wird den Beruf deutlich attraktiver machen“, sagte der SPD-Politiker laut Medienberichten: „Wir nutzen das fachliche Potenzial der Pflege in Deutschland viel zu wenig.“ An diesem Gesetz werde aktuell gearbeitet.
Teamarbeit und moderne Strukturen
Die Stärken von Teamarbeit im Gesundheitsweisen betonte Claudia Moll, Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung, im Rahmen der Veranstaltung „Was haben Fußball und Pflege gemeinsam“. „Wir wollen mehr Interprofessionalität, aber die Strukturen sind veraltet und durch den Arztvorbehalt geprägt. Warum können Pflegefachkräfte nicht selbstständig impfen, Wunden versorgen oder Verbandsmaterialien und bestimmte Medikamente verordnen? Ist es noch zeitgemäß, dass Physiotherapeuten nur nach ärztlicher Verordnung behandeln dürfen?“, fragt Moll. Die SPD-Politikerin möchte den Teamgedanken in der Gesundheitsbranche stärken und alle vorhandenen Kompetenzen nutzen.
Weiter spricht sie von modernen Strukturen, davon, den Konkurrenzgedanken abzuschaffen und von der notwendigen Heilkundeübertragung auf nichtärztliche Pflegeberufe, für die die Berufsgesetze angepasst werden müssten. „Hier müssen alle ran: der Gesetzgeber, die Länder, die Berufskammern, Berufsverbände und weitere“, sagt Moll.
Christine Vogler, Präsidentin des Deutschen Pflegerates, plädiert für eine Modernisierung des Gesundheitswesens. „Ein modernes Gesundheitssystem baut auf Interprofessionalität. Deutschland ist hier noch Entwicklungsland. Die Kompetenzen der Pflegefachpersonen werden nicht voll genutzt. Die Grundlagen dafür, dass Pflegefachpersonen Heilkunde selbstständig leisten dürfen, müssen kommen. Nur so ist unser System überlebensfähig.“
Gute Aussichten für alle Beteiligten
Weitere Vertreter der Pflegebranche befürworten im Rahmen der Veranstaltung die Aussicht auf mehr Teamwork und mehr Kompetenzen für Pflegekräfte, darunter auch Eckart von Hirschhausen. Er sagt: "Die Zukunft der Medizin ist interdisziplinär, teamorientiert, weiblich und kommunikativ. Und deshalb müssen wir heute die Aus- und Weiterbildung gemeinsam um interprofessionelle Element erweitern und auch das Thema Freude an der Arbeit, Wertschätzung und seelische Gesundheit fest verankern.“
Auch für ÄrztInnen sind mehr Kompetenzen für Pflegekräfte gute, weil entlastende Aussichten. In Umfragen unter jungen MedizinerInnen gaben viele an, sich im Krankenhaus oder in der Klinik mehr Teamwork zu wünschen. Entsprechende Konzepte seien jedoch noch nicht erkennbar. Bleibt zu hoffen, dass sich das bald ändern wird.
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