Interview mit einer Hebamme

„Wir brauchen für unsere Arbeit Vertrauen“

Eine Hebamme tastet den Bauch einer Schwangeren ab
Sabine Stahl | 2.5.2024 | Lesedauer: 3 Minuten

Der 5. Mai ist der Tag der Hebammen. Aus diesem Anlass haben wir mit Hebamme Viola Bülter über ihre Arbeit und die schönsten Momente dabei gesprochen.

Viola Bülter (52) ist Hebamme und arbeitet seit mehreren Jahren nebenberuflich in der Zeitarbeit. Im Interview spricht sie über ihr Arbeitsmodell, ihren Beruf, die Herausforderungen und was sie sich von der Politik und von den werdenden Eltern wünschen würde.

Würden Sie sich bitte einmal vorstellen?
Ich heiße Viola Bülter, bin 52 Jahre alt, seit mehr als 30 Jahren Hebamme und dreifache Mutter. All das zusammen ist eine große Herausforderung für mich.

Was ist das Schönste an Ihrem Beruf?
Wenn die Eltern strahlen. Sie sind dann zwar meist fix und fertig, können aber dennoch lächeln. Bis zu diesem Lächeln ist es übrigens ein langer Weg. Schließlich empfangen wir die Frauen mit Schmerzen und bis sie lächeln, haben alle viel zu tun.

Das Schönste an meinem Beruf ist einfach, wenn alle glücklich sind. Oder wenn schwierige Verläufe gut ausgehen und wir als Team gute Arbeit geleistet haben – und mit Team meine ich auch die Eltern. Dann bin ich sehr stolz, denn ich habe den Ehrgeiz, meinen Job gut zu machen, in medizinischer Hinsicht und mit Blick auf die Familie.

Viola Bülter

Wie und wie viel arbeiten Sie im Monat?
Ich bin in einer Klinik in Teilzeit tätig und habe dort etwa eine halbe Stelle. Seit fünf Jahren arbeite ich nebenberuflich zusätzlich in der Zeitarbeit und übernehme vier bis sechs Dienste pro Monat. 

Warum arbeiten Sie in der Zeitarbeit?
Ganz ehrlich: aus finanziellen Gründen. Die Zeitarbeit ist finanziell attraktiver. Zudem erfahre ich hier mehr Wertschätzung und ich kann mir die Arbeitszeiten aussuchen. Draufgekommen bin ich über einen Honorararzt, den ich während der Arbeit in der Klinik kennenlernte. Er hat mitbekommen, unter welchen Druck wir stehen und welcher Umgangston uns gegenüber herrschte. Da hat er mir vorgeschlagen, in die Zeitarbeit zu gehen.

Zudem stand ich das zweite Mal im Leben vor einem Aus in der Klinik. Und da habe ich mich gefragt: Was kann ich machen? Ich wollte mir ein Bild von der Zeitarbeit machen und ich wollte sehen, wie andere Kliniken arbeiten. Was kommt für mich in Frage? Wo gefällt es mir?

Wie hat sich für Sie dadurch geändert?
Man geht anders zur Arbeit. Zu Beginn war das nicht immer einfach. Alles war frisch und es gab viel Unmut bei den Kollegen. Da musste ich mich durchbeißen. Das hat sich mit der Zeit aber verändert. Mittlerweile gibt es große Dankbarkeit, wenn wir kommen und helfen.

Wenn Sie einen Wunsch frei hätte, dann …
… hätte ich mehr Zeit. Mehr Zeit für die Geburten und mehr Zeit für das Paar. Denn auch die Männer brauchen Aufmerksamkeit. Das darf man nicht unterschätzen. Und ich wünsche mir mehr Respekt den Hebammen gegenüber.

Von wem?
Von allen Seiten. Von den Familien, den Kollegen und der Politik. Das Gleiche gilt für Vertrauen. Wir brauchen für unsere Arbeit Vertrauen. Auch hier gilt: von den Familien und von der Politik. Speziell von den werdenden Eltern wünsche ich mir mehr Eigenverantwortung. Und ganz generell, von allen, wünsche ich mir mehr Mitmenschlichkeit.

Wo liegen die größten Herausforderungen in ihrem Job?
In der vielen Bürokratie. Hinzu kommt die große Angst vieler junger Mütter, die von Horrorgeschichten aus dem Internet verunsichert wurden. Dann muss ich ihnen erst einmal die Angst nehmen. Ich sage dann immer, es gäbe keinen Grund zur Panik und es gibt gleich eine Belohnung. Und manchmal gibt es große Sprachbarrieren während meiner Dienste. Ich spreche dann mit den Eltern und den Ärzten drei Sprachen gleichzeitig, von denen ich eigentlich keine spreche.

Was machen Sie am Tag der Hebammen?
Dieses Jahr habe ich frei. Wenn das Wetter schön ist, dann mache ich es mir schön im Garten oder gehe mit einer Freundin Kaffee trinken. Bislang war ich an diesem Tag oft in der Klinik und viele hatten vergessen, dass der Tag der Hebammen ist. Das ist dann sehr schade. Man ist an der Front und keiner sieht es. Dieses Jahr lasse ich es mir gut gehen.

Liebe Frau Bülter, wir danken Ihnen für das Gespräch.

Titelbild: iStock.com/sturti

Autor

Sabine Stahl

Die erfahrene Journalistin und Medizin-Redakteurin arbeitet seit 2021 in der doctari-Redaktion und beschäftigt sich am liebsten mit Ratgeber- und Statistikthemen.

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