Facharzt für Rechtsmedizin

MedizinerInnen für medizinisch-wissenschaftlich begründete Aufklärung von Verletzungs- und Todesursachen

Fachärzte für Rechtsmedizin beschäftigen sich mit medizinisch-rechtlichen Fragen und den forensischen Aspekten der Medizin. Mit ihrem Fachwissen unterstützen sie polizeiliche Ermittler und die Justiz bei der Klärung von Unfällen und Straftaten. Mehr über die Tätigkeit steht hier.

Facharzt für Rechtsmedizin: Allgemeine Informationen

Die Rechtsmedizin zählt zu den spektakulären Teilgebieten innerhalb des ärztlichen Tätigkeitsspektrums – auch abseits der Klischees, mit denen Drehbuchautoren ihre Skripte aufpeppen. Als Facharzt oder Fachärztin für Rechtsmedizin braucht es neben detektivischem Gespür und einer präzisen Arbeitsweise auch viel Empathie und ein gutes Kommunikationsvermögen. Dies ist unerlässlich für die Arbeit mit Opfern von Gewaltverbrechen. Weitere Aufgaben von Rechtsmedizinern sind die Durchführung von Alkohol- und Drogentests, Obduktionen oder die Erstellung von Gutachten.

Fachärzte für Rechtsmedizin behandeln – anders als die meisten anderen FachärztInnen – keine PatientInnen. Stattdessen helfen sie Geschädigten dabei, ihr Recht zu bekommen: durch Diagnostik von Erkrankungen und Verletzungen, bei denen ein krimineller Hintergrund vermutet wird, und durch die Klärung der Verschuldensfrage bei Unfällen. Die Tätigkeit von Rechtsmedizinern kann sich unmittelbar auf den Zugang zu rehabilitativen Maßnahmen oder Entschädigungszahlungen auswirken – insofern hat sie Auswirkungen auf die physische und psychische Gesundheit von Betroffenen und ihren Angehörigen.

Historisch hat sich die Rechtsmedizin – ursprünglich Teilgebiet der sogenannten „Staatsarzneikunde“ – erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zu einer eigenständigen medizinischen Disziplin entwickelt. Die Praxis, Ärzte zur Klärung medizinischer Fragen im Rahmen der Gerichtsbarkeit hinzuzuziehen, sowie erste Ansätze zur Entwicklung einer „Gerichtlichen Medizin” lassen sich in Europa ab dem 16. Jahrhundert nachweisen.

Facharzt für Rechtsmedizin: Aufgaben und Arbeitsgebiete

Fachärztinnen und Fachärzte für Rechtsmedizin haben ein vielfältiges, spannendes und oft auch herausforderndes Aufgabengebiet. Ihre Tätigkeit umfasst neben den „Klassikern” Leichenschau und Obduktion bei unklarer Todesursache vor allem:

  • die Beurteilung von Verletzungen
  • toxikologische Gutachten
  • makroskopische und mikroskopische Befundungen
  • die Durchführung histologischer und molekularbiologischer Untersuchungen
  • die Beurteilung von Spurenbildern und Tatorten
  • das Erstellen forensischer Gutachten

Der berufliche Alltag von Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmedizinern dreht sich zu einem großen Teil um die medizinisch-wissenschaftlich begründete Aufklärung von Verletzungs- und Todesursachen. Dazu steht den ärztlichen Experten für forensische Ermittlungen ein breites Repertoire an rechtsmedizinischen Methoden zur Verfügung. Sie arbeiten dabei mit Fachkräften aus juristischen und kriminologischen Berufen eng zusammen.

Häufige Fragestellungen in der Rechtsmedizin

Ein zentraler Bereich der rechtsmedizinischen Forschungs- und Untersuchungstätigkeit ist der Tod: Kann eine Ärztin oder ein Arzt bei der Leichenschau keine natürliche Todesursache feststellen oder gibt es Hinweise auf eine Gewalttat, beauftragt er bzw. ein Gericht einen Facharzt für Rechtsmedizin mit der Obduktion.

Aufgabe der Rechtsmediziner ist nun, den Körper des Verstorbenen zu begutachten und zu öffnen, um die Todesursache zu klären. Dazu geht er schrittweise vor: Zunächst erfolgt eine äußerliche Begutachtung, bei der Details wie der allgemeine Zustand des Körpers, Größe, Gewicht, das Vorhandensein von Narben, sichtbaren Verletzungen und Leichenflecken festgehalten werden. Anschließend nimmt er eine innere Leichenschau vor, bei der die Organe untersucht, Körperflüssigkeit entnommen und analysiert und die Ergebnisse dokumentiert werden. Nach Abschluss der Obduktion erstellt die Rechtsmedizinerin oder der Rechtsmediziner einen detaillierten Bericht, der den objektiven Zustand des Körpers sowie eventuelle pathologische Befunde und die Todesursache festhält.

Neben der Durchführung von Obduktionen sind Rechtsmedizinerinnen und Rechtsmediziner aber auch mit der Erhebung und Interpretation von Verletzungen, Verletzungsfolgen und Vergiftungen bei Opfern von Straftaten oder Unfällen beschäftigt. Sie müssen zum Beispiel feststellen, ob bestimmte gesundheitliche Einschränkungen Folge einer strafbaren oder fahrlässigen Handlung sind oder diese eine andere Ursache haben. Hier benötigen sie neben ihrer Expertise auch ein besonders hohes Einfühlungsvermögen, um Opfer von Gewalttaten bei der Untersuchung keiner erneuten Traumatisierung auszusetzen.

Verfahren und Methoden in der Rechtsmedizin

Der Rechtsmedizinerin bzw. dem Rechtsmediziner steht ein breites Spektrum an medizinischen und molekularbiologischen Untersuchungsmethoden zur Verfügung. Viele der Verfahren, die Rechtsmediziner anwenden, stammen aus den verschiedenen Untergebieten der Forensik. So werden die Auswertung biologischer Spuren von Tatorten, die Zuordnung von Leichenteilen oder die Altersbestimmung von unbekannten Toten von Gerichtsmedizinern mittels Verfahren aus der forensischen Genetik durchgeführt. Sie erstellen zum Beispiel DNA-Profile, führen RNA-Untersuchungen zur Kontextualisierung von Tatortspuren oder epigenetische Analysen durch.

Im Rahmen der forensischen Toxikologie erlernen Rechtsmediziner die Grundlagen der Pharmakodynamik und -kinetik von Alkohol, Drogen, Giften und zentralnervös wirksamen Medikamenten und erstellen Indikationen zu forensisch-toxikologischen Untersuchungen. Die Ergebnisse dieser Untersuchungen bilden die Grundlage für ihre Gutachten.

Auch die forensische Spurenkunde ist ein wichtiger Teilbereich ihrer Tätigkeit. Die Zuordnung und Beurteilung von biologischen Tatortspuren ist von der korrekten Entnahme und Asservierung des Untersuchungsmaterials abhängig. Schließlich ist auch die Fotodokumentation von Tatorten und Verletzungen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Rechtsmedizinern.

Einsatzgebiete: Wo arbeiten Fachärzte für Rechtsmedizin?

Fachärzte für Rechtsmedizin arbeiten zu einem großen Teil an rechtsmedizinischen Instituten von Universitäten, wo sie die entsprechende Infrastruktur für Obduktionen sowie histologische, toxikologische und molekularbiologische Untersuchungen vorfinden. Wer seinen Arbeitsschwerpunkt auf die klinische Rechtsmedizin legen möchte, hat mehr Patientenkontakt und arbeitet auch intensiver mit Kollegen und Kolleginnen anderer Fachbereiche zusammen. Hier bietet sich die Tätigkeit an einer rechtsmedizinischen Abteilung eines Krankenhauses an.

Weitere Anstellungsmöglichkeiten bestehen im gerichtsärztlichen Dienst und beim Landes- und Bundeskriminalamt sowie in der medizinischen Forschung und Lehre. Die Tätigkeit in eigener Praxis ist ebenfalls möglich, wenn auch äußerst selten. Niedergelassene Rechtsmediziner sind vor allem als Gutachter tätig. Entsprechende Aufträge bekommt man aber erst mit viel Erfahrung und nachgewiesener beruflicher Expertise, also nicht als Berufsanfänger.

Die Weiterbildung zum Facharzt für Rechtsmedizin

Die Weiterbildung zum Facharzt für Rechtsmedizin schließt sich an das Medizinstudium an und dauert insgesamt 60 Monate. Sechs Monate davon sind in der Pathologie und weitere sechs Monate im Gebiet Psychiatrie und Psychotherapie zu absolvieren. Zum Kompetenzerwerb dürfen bis zu sechs Monate der Ausbildung in frei wählbaren medizinischen Fachgebieten abgeleistet werden.

Zu den wesentlichen Inhalten der Weiterbildung zum Rechtsmediziner bzw. zur Rechtsmedizinerin zählen unter anderem:

  • Grundlagen der Kriminalistik: Tatortarbeit, operative Fallanalyse, Spurenkunde, Ballistik und Waffenkunde
  • Forensische Pathologie und Morphologie: Interpretation von Leichenschaubefunden, forensisch-histopathologische Untersuchungsmethoden, rechtsmedizinische Obduktionstechnik, Todeszeiteinschätzung, Beurteilung von Sektionsbefunden und Erstellung des Sektionsprotokolls, Gutachtenerstellung
  • Klinische Rechtsmedizin: Untersuchungsablauf und -techniken, Asservierung von Körperflüssigkeiten und Spuren, Interpretation von Verletzungsmustern, Beurteilung und Dokumentation von Verletzungen, Spurensicherung bei Sexualdelikten und Kindesmisshandlung
  • Forensische Toxikologie: Analytik, Grundlagen der Pharmakokinetik und -dynamik von Alkohol, Drogen und zentralnervös wirksamen Medikamenten, Entnahme und Asservierung von Untersuchungsmaterial
  • Forensische Spurenkunde und Molekulargenetik: Spurenkunde, Detektion, Dokumentation und Asservierung von biologischen Spuren, molekulargenetische Untersuchungen
  • Forensische Anthropologie und Odontologie: Identifizierung unbekannter Leichen, Altersdiagnostik bei Lebenden
  • Forensische Bildgebung: Fotodokumentation, Interpretation der Befunde bildgebender Diagnostik in der rechtsmedizinischen Fallarbeit
  • Forensische Psychopathologie: Ursachen für die Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit, psychiatrische Erkrankungen, Intoxikation, Methodik forensisch-psychiatrischer Begutachtung
  • Verkehrsmedizinische Begutachtung: Methodik, Ursachen für aufgehobene Fahrsicherheit oder Fahreignung
  • Erstellen von mündlichen und schriftlichen Gutachten

Weiterführende Informationen zu Spezialisierungen und Weiterbildungsveranstaltungen sowie Aktuelles aus dem Fachgebiet finden sich unter anderem auf der Website der Deutschen Gesellschaft für Rechtsmedizin.

Gehalt von Rechtsmedizinern und Rechtsmedizinerinnen

Das Gehalt von Fachärzten für Rechtsmedizin richtet sich an kommunalen Einrichtungen nach dem für sie geltendem Tarifvertrag oder Hausvertrag. Als Berufseinsteiger können sie je nach Region auf ein durchschnittliches monatliches Bruttogehalt von 3.500 bis 4.300 Euro kommen, an rechtsmedizinischen Instituten von Universitätskliniken sind die Einstiegsgehälter in der Regel etwas höher.

Das Gehalt steigt mit der Anzahl der Berufsjahre und dem Aufstieg in der beruflichen Hierarchie. Nach Absolvierung der Facharztprüfung und einigen Jahren Berufstätigkeit liegen die durchschnittlichen monatlichen Einkünfte der Gerichtsmediziner bereits bei rund 5.800 Euro. In leitenden Positionen sind auch deutlich höhere Einkommen keine Seltenheit.

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Stand: September 2020