Politik

Umfassende Reform der Lebendorganspende beschlossen

Ein neuer Gesetzesentwurf soll die Organspende von einem lebenden Spender erleichtern
Sabine Stahl | 23.10.2025 | Lesedauer: 3 Minuten

Die Bundesregierung hat eine umfassende Reform der Lebendorganspende auf den Weg gebracht. Künftig sollen auch Überkreuz- und anonyme Nierenspenden möglich sein.

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Bundesregierung hat am 22. Oktober 2025 eine umfassende Reform der Lebendorganspende beschlossen.
  • Künftig sollen auch Überkreuzspenden und anonyme Nierenspenden erlaubt werden.
  • Spenderinnen und Spender erhalten mehr psychosoziale Betreuung, Beratung und rechtliche Absicherung.
  • Frühere Lebendspender sollen künftig bei Organvergaben bevorzugt berücksichtigt werden.

Bundesärztekammer begrüßt den Beschluss

Gute Nachrichten für die rund 10.000 Menschen in Deutschland, die aktuell auf eine Spenderniere warten: Das Bundeskabinett hat die Reform der Lebendorganspende beschlossen. Dadurch wird es in Zukunft einfacher, eine Organspende mit lebenden SpenderInnen durchzuführen.

Im vergangenen Jahr wurden in Deutschland 3.701 Organe transplantiert. Der Anteil der lebenden SpenderInnen lag bei knapp 17 Prozent. „Es ist positiv, dass künftig mehr Menschen, die sich nach reiflicher Überlegung zur Spende entschließen, ihre Niere für andere bereitstellen können“, sagte Bundesärztekammer-Präsident Dr. Klaus Reinhardt. Die geplante Neuregelung sei aus medizinischer und ethischer Sicht „besonders sinnvoll“, da Lebendspenden in vielen Fällen die besten Langzeitergebnisse erzielten. 

Ärzte und Ärztinnen studieren die menschlichen Organe anhand eines Modells.

Eine Lebendspende wird meist mit Nieren oder einem Teil der Leber durchgeführt, ist aber auch mit Teilen anderer Organe machbar

Was genau hat das Kabinett beschlossen?

1. Überkreuz-Lebendnierenspenden

Bisher war eine Lebendnierenspende meist nur dann möglich, wenn zwischen Spender und Empfänger ein Näheverhältnis bestand (z. B. enge Verwandtschaft). Der Reformentwurf sieht vor, dass künftig zwei Paare mit inkompatiblen Spender-Empfänger-Kombinationen eine „Überkreuzspende“ durchführen können – auch wenn die Paare sich nicht persönlich kennen.

2. Anonyme Spende

Zudem soll die bislang in Deutschland unzulässige „nicht gerichtete anonyme Nierenspende“ eingeführt werden – das heißt: Eine Person kann anonym eine Niere spenden, ohne einen bestimmten Empfänger auszuwählen. Ein nationales Vermittlungsprogramm soll beide Verfahren koordinieren und unter streng medizinischen Kriterien und Wahrung der Anonymität durchführen.

3. Erweiterter Schutz für Spenderinnen und Spender

Der Gesetzesentwurf befasst sich auch mit dem Schutz der Spenderinnen und Spender. So wird beispielsweise eine verpflichtende, unabhängige psychosoziale Beratung und Evaluation der Spenderinnen und Spender eingeführt. Zudem soll die Aufklärung über Risiken und Langzeitfolgen erweitert werden und eine kontinuierliche individuelle Betreuung vor, während und nach der Spende stattfinden.

4. Bevorzugte Behandlung der SpenderInnen bei späterer Erkrankung

Wer eine Niere spendet und später selbst eine Transplantation braucht, soll bei der Vergabe postmortal gespendeter Nieren bevorzugt berücksichtigt werden. Die Details dieser Berücksichtigung sollen in Richtlinien der Bundesärztekammer geregelt werden.

5. Postmortale Gewebespende und besondere Fälle

Das Gesetz sieht vor, dass Gewebeeinrichtungen Zugriff auf das Organspenderegister für Erklärungen zur Organ- und Gewebespende (OGR) erhalten, um in Sterbefällen sofort zu prüfen, ob der Verstorbene seinen Wunsch zu spenden im Register eingetragen hat.

Darüber hinaus wird die Nutzung von sogenannten „Operationsresten“ erleichtert – etwa Herzklappen oder funktionsfähige Organteile, die bei Operationen entnommen wurden und bisher verworfen wurden. Auch die Einwilligung von Betreuungsberechtigten in die Gewinnung von Spermien bei nicht einwilligungsfähigen Personen (etwa Kindern vor Chemotherapie) wird neu geregelt.

Fazit: Gute Aussichten für SpenderInnen und EmpfängerInnen

Mit der Kabinettsentscheidung hat die Bundesregierung einen mutigen Schritt gewagt: Die vorgeschlagenen Regelungen könnten die Lebendorganspende in Deutschland erleichtern und somit deutlich mehr Menschen zu einer Spenderniere verhelfen.

Gleichzeitig werden die Rechte und die Sicherheit der Spenderinnen und Spender verbessert. Ob die Reform ihr Potenzial ausschöpfen kann, hängt maßgeblich von der sorgfältigen Umsetzung, engen Koordination und einer hohen Vertrauensbasis zwischen medizinischen Akteuren und der Bevölkerung ab.

Titelbild: iStock.com/aydinmutlu

Weitere Fragen

Was ist eine Lebendorganspende

Im Gegensatz zur Organspende von Verstorbenen, spendet bei der Lebendorganspende ein gesunder, lebender Menschen. Dies ist nur bei bestimmten Organen möglich wie Niere und Teile der Leber. Bevor eine solche Lebendspende erfolgen kann, muss sie geprüft und bewilligt werden, um sicherzustellen, dass die Spende freiwillig.

Ist eine Lebendorganspende in Deutschland erlaubt?

Ja, sie ist erlaubt, es gelten bislang allerdings strenge Voraussetzungen. So ist eine Lebendspende nur dann erlaubt, wenn kein Organ eines toten Spenders verfügbar ist. Zudem müssen Spender und Empfänger sich nahe stehen und die Freiwilligkeit der Spende muss sichergestellt sein.

Welche Organe eigenen sich für eine Lebendspende

Besonders oft werden Lebendspenden mit Nieren oder Teilen der Leber durchgeführt. Selten aber auch möglich sind Lebendspenden mit Teilen der Lunge, des Darms und der Bauchspeicheldrüse.

Autorin

Sabine Stahl

Die erfahrene Journalistin und Medizin-Redakteurin arbeitet seit 2021 in der doctari-Redaktion und beschäftigt sich am liebsten mit Ratgeber- und Statistikthemen.

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