Erdbeben, Kriege, große Krankheitsausbrüche – wenn aufgrund von Konflikten, Epidemien oder Naturkatastrophen die nationale medizinische Versorgung gefährdet ist, kommen sie zum Einsatz und geben alles: Ärzte ohne Grenzen. Die Organisation arbeitet weltweit als großes Netzwerk mit ÄrztInnen und Pflegekräften zusammen, um schnell und unkompliziert medizinische und humanitäre Hilfe zu leisten. Dazu gehören neben dem Behandeln von Erkrankungen und Verletzungen in Krisengebieten auch die Versorgung mit Medikamenten, Impfkampagnen, Präventionsmaßnahmen und Aufklärungsarbeit.
Die Idee und Initialzündung der Ärzte ohne Grenzen
Mit Blick auf den Biafra-Krieg (1967-1970) in Nigeria und die damit zusammenhängenden katastrophalen Zustände der medizinischen Versorgung der Bevölkerung gründeten mehrere Ärzte (unter anderem die beiden Franzosen Bernard Kouchner und Raymond Borel) im Jahr 1971 die Organisation Médecins Sans Frontières (MSF), zu deutsch: Ärzte ohne Grenzen. MSF setzte sich aus den schon gegründeten Gruppen Groupe d’Intervention Médicale et Chirurgicale en Urgence und Secours Médical Français zusammen. Die zwölf Gründer waren damals überzeugt, dass nur eine neugegründete und unabhängige medizinische Hilfsorganisation das Wohlergehen der Opfer vor politische und religiöse Interessen stellen wird. Der erste Einsatz folgte im Dezember 1972 in Nicaragua, nach einem Erdbeben mit über 10.000 Todesopfern.
Rund 65.000 Mitarbeitende weltweit
Über die Jahre wuchs die Organisation und agiert inzwischen in über 70 Ländern. Heute sind Médecins Sans Frontières in 26 Sektionen in 20 Staaten organisiert sowie in Lateinamerika, Südostasien, Ostafrika und im südlichen Afrika. Die Zentrale der Ärzte ohne Grenzen liegt in Genf. Von hier aus koordinieren die Mitarbeitenden die Hilfe, unterstützen einzelne Regionen und Sektionen sowie die Zusammenarbeit untereinander.
Derzeit arbeiten die Mitarbeitenden an rund 75 verschiedenen Projekten auf der ganzen Welt. Nach eigenen Angaben beschäftigte Ärzte ohne Grenzen im Jahr 2022 weltweit etwa 65.000 Mitarbeitende, wobei sich 90 Prozent der Mitarbeitenden direkt mit den Hilfsprojekten beschäftigen. Um diese Quote zu erreichen, setzt Ärzte ohne Grenzen in den Ländern auf lokale Mitarbeitende – rund 90 Prozent stammen aus dem jeweiligen Land. Für ihr Engagement erhielt MSF 1999 den Friedensnobelpreis.
Auch nach den schweren Erdbeben in der Türkei war Ärzte ohne Grenzen vor Ort
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Aufgabenfelder Ärzte ohne Grenzen
Hilfsprojekte weltweit – das ist der Hauptfokus von Ärzte ohne Grenzen. Bekannt sind sie für ihre schnellen Ad-hoc-Einsätze in Krisengebieten oder nach Naturkatastrophen. Sie leisten jedoch weit mehr. Dazu gehören unter anderem die Organisation und der Betrieb von medizinischer Infrastruktur, die Schulung und Weiterbildung von Mitarbeitenden, Aufklärung und Prävention sowie Trinkwasserversorgung und Impfkampagnen.
Schutzbedürftige Menschen auf der Flucht unterstützt Ärzte ohne Grenzen auch, beispielsweise in mobilen Kliniken oder mit psychologischer Hilfe. Und sie reden über ihre Erfahrungen. Im Gegensatz zu anderen Organisationen weisen die Mitarbeitenden von MSF auch auf Menschenrechtsverletzungen und Verletzungen des humanitären Völkerrechts hin. Dieses „Zeuge sein“ bedeutet, über das zu berichten, was die Mitarbeitenden vor Ort in den Krisengebieten erleben. Ärzte ohne Grenzen sind bei ihren Projekten bemüht, unabhängig, unparteiisch und so neutral wie möglich zu handeln, um in Krisenregionen wirkungsvoll humanitäre Hilfe zu leisten.
Impfkampagnen dienen der Prävention, dabei arbeiten Ärzte ohne Grenzen überwiegend mit einheimischen Fachkräften zusammen.
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Ohne Spenden wäre vieles nicht möglich
Allein die deutsche Sektion beschäftigt rund 360 Mitarbeitende in Berlin und weitere 200 in internationalen Projekten. Für die weltweiten Projekte arbeiten im Jahr etwa 3.000 Ärztinnen und Ärzte, Psychologinnen und Psychologen sowie Krankenschwestern und Pfleger, Hebammen und Logistiker. Die deutsche Sektion besteht seit 1993 als eingetragener Verein (e. V.), seit 2003 gibt es die Ärzte-ohne-Grenzen-Stiftung. Seit 1998 trägt die deutsche Sektion den DZI-Spendensiegel, das erleichtert das Sammeln von Spenden.
Das ist enorm wichtig, denn Ärzte ohne Grenzen finanziert sich größtenteils über private Spenden. Im Jahr 2022 sammelte die Organisation rund 2,25 Milliarden Euro und gab 1,73 Milliarden Euro aus. Über 97 Prozent der Einnahmen kommen von Privatspendern. Bis 2016 bezog MSF auch bei der EU Fördergelder. Aus Protest gegen die europäische Migrations- und Asylpolitik der EU entschied MSF jedoch, keine Gelder mehr zu beantragen.
Jede und jeder kann helfen
Ärzte ohne Grenzen sucht permanent Menschen, die vor Ort mithelfen wollen. Sie sollen vor allem Berufserfahrung, Fremdsprachenkenntnisse und Engagement mitbringen. Aktuell werden besonders dringend Gynäkologinnen und Gynäkologen, Hebammen und Entbindungspfleger für Einsätze benötigt.
Die Mitarbeitenden werden für ihren Einsatz bezahlt. Die Entlohnung unterscheidet sich nach Einsatz und Einsatzort und liegt ungefähr zwischen 2.100 und 2.300 Euro brutto. Dazu kommt ein umfassendes Versicherungspaket und ein sozialversicherungspflichtiger, befristeter Arbeits- und Entsendevertrag.
Was viele nicht wissen: Unterstützende müssen nicht unbedingt aus dem medizinischen Bereich kommen. ArchitektInnen, BauingenieurInnen sowie LogistikexpertInnen sind ebenso wichtig für die Arbeit vor Ort, genau wie beispielsweise Wasser- und SanitärexpertInnen. Neben den Projekten im Ausland sucht Ärzte ohne Grenzen auch Mitarbeitende für ihre Büros in Deutschland und Fundraiserinnen und Fundraiser für die Spendensammlung. Auch Auszubildende oder Studierende können die Hilfsorganisation unterstützen. Und jeder, wirklich jeder, kann durch eine Spende für Ärzte ohne Grenzen helfen.
privat - Katja Liebsch
Ärzte ohne Grenzen ist zwar eine sehr bekannte Hilfsorganisation, es gibt aber natürlich weit mehr. Hier berichten zwei Pflegefachkräfte über ihre Hilfseinsätze in Afrika, OP-Pfleger Alexander Derksen in Kamerun und Katja Liebsch als OP-Fachkraft bei Augen-OPs in Tansania.
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