Therapietreue

Non-Compliance: Strategien für therapieunwillige Patienten

Non-Compliance: Ein älterer Mann verweigert die Medikation
Juliane Beckmann | 19.9.2025 | Lesedauer: 3 Minuten

Therapieunwilligkeit ist eine Herausforderung. Evidenzbasierte Strategien wie Motivational Interviewing stärken Adhärenz und die Arzt-Patienten-Beziehung.

Therapietreue, auch Compliance oder Adhärenz genannt, ist ein entscheidender Faktor für den Behandlungserfolg in nahezu allen medizinischen Fachrichtungen. Ob bei chronischen Erkrankungen wie Diabetes, Bluthochdruck oder Niereninsuffizienz – wenn Patientinnen und Patienten Medikamente nicht einnehmen, Kontrolltermine versäumen oder Lebensstilempfehlungen ignorieren, steigen Komplikationsraten und Hospitalisierungen deutlich. Der folgende Artikel zeigt, wie Ärzte, Ärztinnen und Pflegefachkräfte den Umgang mit Therapieunwilligen konstruktiv gestalten und die Eigenverantwortung stärken können.

Non-Compliance: Ein weit verbreitetes Phänomen

Studien zeigen, dass Non-Compliance oder Non-Adhärenz in vielen Bereichen der Medizin ein erhebliches Problem darstellt. In der Nephrologie berichten mehr als 80 Prozent der Dialysepatienten oder -patientinnen von Schwierigkeiten, Diätvorgaben einzuhalten. Rund 75 Prozent kämpfen mit der Einhaltung der Trinkmengenbegrenzung. Ähnliche Zahlen finden sich bei anderen chronischen Erkrankungen: Schätzungen zufolge nehmen bis zu 50 Prozent der Patientinnen und Patienten mit Bluthochdruck ihre Medikamente nicht wie verordnet ein.

Ursachen von Non-Compliance erkennen statt sanktionieren

Therapieunwilligkeit hängt von vielen Faktoren ab. Oft handelt es sich nicht um bewusste Ablehnung, sondern um eine Mischung aus Belastungen und Barrieren:

  • Psychosoziale Faktoren: Depression, Angst, Überforderung, fehlende Unterstützung
  • Nebenwirkungen oder Skepsis: Bedenken gegenüber Medikamenten, schlechte Erfahrungen
  • Praktische Hürden: Terminorganisation, Fahrtwege, Kosten
  • Informationsdefizite: Unklare Aufklärung, komplexe Fachsprache, mangelnde Gesundheitskompetenz

Ein erster Schritt ist daher eine sorgfältige Ursachenklärung, bevor Sanktionen oder strengere Maßnahmen erwogen werden.

Gesprächstechniken: Motivational Interviewing als Schlüssel

Motivational Interviewing (MI) gilt als eine der effektivsten Methoden, um Patientinnen und Patienten bei bestehender Non-Compliance zu einer Verhaltensänderung zu motivieren. Zahlreiche Studien – u. a. in der Nephrologie und Diabetologie – zeigen, dass MI die Therapietreue messbar verbessert.

Kernprinzipien von Motivational Interviewing:

  • Empathie zeigen und aktiv zuhören
  • Ambivalenz anerkennen, statt sie zu übergehen
  • PatientInnen helfen, eigene Gründe für Therapieadhärenz zu formulieren („Change Talk“)
  • Selbstwirksamkeit stärken: die Entscheidung bleibt bei PatientInnen

Diese Technik lässt sich in nahezu allen klinischen Settings nutzen, um gegen Non-Compliance vorzugehen – vom Arztgespräch mit dem Hausarzt bis zur Dialysesitzung.

Checkliste für Non-Compliance-Patienten

Die Grafik zeigt ein mögliches Vorgehen bei Non-Compliance

Interdisziplinäre Ansätze bei Non-Compliance

Gerade bei chronisch kranken Patientinnen und Patienten kann eine interdisziplinäre Zusammenarbeit entscheidend sein. Pflegefachkräfte, PsychologInnen, Sozialdienste oder ErnährungsberaterInnen können Ursachen für Non-Compliance oder Non-Adhärenz identifizieren und Lösungen entwickeln. Fallbesprechungen und abgestimmte Kommunikationsstrategien verhindern, dass PatientInnen widersprüchliche Botschaften erhalten.

Rechtliche Aspekte und Dokumentation

Das Patientenrechtegesetz schreibt eine umfassende Aufklärung über Nutzen, Risiken und Alternativen vor (BGB § 630d–f). Lehnt ein Patient oder eine Patientin eine Behandlung ab, muss dies dokumentiert werden, idealerweise schriftlich. Bei lebenswichtigen Maßnahmen (z. B. lebensnotwendige Dialyse, dringende Operationen) können Ethikkomitees oder Supervisionen helfen, tragfähige Entscheidungen zu treffen.

Fazit: Auf Augenhöhe mit den PatientInnen

Therapieunwilligkeit ist ein häufiges Phänomen und hat meist komplexe Ursachen. Ärztinnen und Ärzte, die diese Ursachen systematisch erfassen und auf Augenhöhe mit PatientInnen kommunizieren, können die Non-Compliance reduzieren und die Therapietreue nachhaltig verbessern. Evidenzbasierte Methoden wie Motivational Interviewing, kombiniert mit interdisziplinärer Zusammenarbeit und klarer Dokumentation, bieten eine strukturierte und wirksame Vorgehensweise.

Titelbild: iStock.com/Motortion

Juliane Beckmann

Online-Redakteurin mit viel Erfahrung und seit 2019 Teil der doctari-Redaktion. Lernt gern dazu, mag Bindestriche und macht die Texte rund.

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