Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren

Beliebte Weiterbildung für Fachärztinnen und Fachärzte

Die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren genießt bei FachärztInnen ein hohes Ansehen. Gleichzeitig gehört sie bei PatientInnen zu den wichtigsten Auswahlkriterien für den Arzt ihres Vertrauens. Wie ÄrztInnen die Zusatzweiterbildung Naturheilverfahren bekommen können und was die Qualifikation für den Berufsalltag bringt, ist hier zusammengefasst.

Naturheilverfahren: Was genau ist das?

Im Rahmen der ganzheitlichen Medizin ist die Naturheilkunde ein wichtiger Begleiter der Schulmedizin. Ganzheitliche Therapiekonzepte zielen nicht allein auf den Körper als Ort einer Erkrankung, sondern berücksichtigen die Einheit von Körper, Geist und Seele, um Beschwerden individuell und umfassend zu behandeln. Dabei geht es um eine möglichst schonende und nebenwirkungsarme Heilung.

Vor diesem Hintergrund spielen naturheilkundliche Verfahren eine entscheidende Rolle und genießen bei MedizinerInnen und PatientInnen eine gleichermaßen hohe Akzeptanz. Wie eine Studie des KFN (Komitee Forschung Naturmedizin e. V.) aus dem Jahr 2020 unter Ärztinnen und Ärzten verschiedener Fachrichtungen zeigen konnte,

  • messen zwei Drittel der Befragten der Behandlung mit Naturheilmitteln in der täglichen Patientenversorgung eine hohe Bedeutung zu,
  • bieten über 70 Prozent der MedizinerInnen ihren PatientInnen naturheilkundliche Therapien an,
  • gelten neben dem geringen Maß an Nebenwirkungen die Stärkung der Selbstheilungskräfte und die ergänzende Wirkung im Rahmen konventioneller Therapien als Vorteil der Naturheilkunde,
  • bemerken 65,2 Prozent der ÄrztInnen eine hohe Nachfrage nach alternativen Heilmethoden,
  • stellen 74,3 Prozent der Befragten fest, dass ihre PatientInnen naturmedizinische Verfahren, soweit möglich, einer konventionellen Therapie vorziehen.

Die Naturheilkunde nimmt bei Medizinern unterschiedlicher Fachrichtungen einen hohen Stellenwert ein, wobei eine Auswertung der Landesärztekammer Bayern zeigt, dass die ZB Naturheilverfahren mit 17,7 Prozent die häufigste Zusatzbezeichnung unter Hausärzten ist.

Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren: Voraussetzungen

Für die Vergabe der Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren sind die Landesärztekammern verantwortlich. Deshalb können die Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Weiterbildung und die Prüfungsbestimmungen von Bundesland zu Bundesland abweichen.

In der Regel müssen Medizinerinnen und Mediziner eine Facharztanerkennung erlangt haben, bevor sie mit der Zusatzweiterbildung auf dem Gebiet der Naturheilkunde beginnen können. In manchen Bundesländern gilt darüber hinaus, dass die Facharztausbildung im Bereich der unmittelbaren Patientenversorgung (UPV) erfolgt sein muss, um die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren erlangen zu können. 

Ablauf der Zusatzweiterbildung Naturheilverfahren

Die Landesärztekammern definieren den Gegenstand der Weiterbildung "Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren" nahezu einheitlich als die Anregung der individuellen körpereigenen Ordnungs- und Heilkräfte durch Anwendung nebenwirkungsarmer oder -freier natürlicher Mittel. Medizinerinnen und Medizinern die Kompetenzen für den erfolgreichen Einsatz entsprechender Heilverfahren zu vermitteln, ist das Ziel der Weiterbildung.

Die Zusatzweiterbildung Naturheilverfahren gliedert sich in:

  • eine 160-stündige, vierstufige Kurs-Weiterbildung mit beliebiger Reihenfolge, wobei jede Kursstufe mehrere Blöcke umfasst und jeder Block als Wochen- oder Wochenendseminar absolviert werden kann,
  • eine dreimonatige Weiterbildung bei einem Weiterbilder für Naturheilverfahren, die sich je nach Bundesland aus mehreren Lerneinheiten zusammensetzen kann oder
  • 80 Stunden Fallseminare einschließlich Supervision, verteilt auf vier 20-stündige Veranstaltungen.

Inhalte der Zusatzweiterbildung Naturheilverfahren

Die naturheilkundliche Zusatzweiterbildung vermittelt Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten in der Anwendung:

  • der Balneo-, Hydro- und Klimatherapie sowie verwandter Verfahren, die medizinische Bäder, Güsse, Packungen, das Reizklima der Küsten-, Mittelgebirgs- und Hochgebirgsregionen oder ortsgebundene Heilmittel wie Peloide und Heilwässer einsetzen, um die Genesung zu fördern,
  • von bewegungs-, atem- und entspannungstherapeutischen Verfahren, um Spannungs- und Schmerzzustände zu lindern,
  • der Massagebehandlung, Reflexzonentherapie und manuellen Diagnostik, um den Bewegungsapparat zu mobilisieren sowie Verspannungen, Schmerzen und Durchblutungsstörungen zu lösen,
  • grundlegender Maßnahmen der Ernährungsmedizin und Fastentherapie, die den Stoffwechsel entlasten und dazu beitragen, stoffwechselbedingten Erkrankungen vorzubeugen und begleitende Beschwerden zu lindern,
  • der Phytotherapie und weiterer auf Naturstoffen beruhender Medikamente, die auf der Basis von pflanzlichen oder mineralischen Substanzen wirken,
  • ordnungstherapeutischer und grundlegender chronobiologischer Maßnahmen, die Einfluss auf die Rhythmik sowie die zeitliche und organisatorische Struktur des Lebens nehmen,
  • der physikalischen Therapie einschließlich Elektro- und Ultraschalltherapie, die schmerzlindernd, entkrampfend und durchblutungsfördernd wirken kann,
  • ausleitender und umstimmender Verfahren wie Schröpfen oder Aderlass, die Stauungszustände beseitigen und das Organsystem durch entgiftende und entschlackende Maßnahmen entlasten sollen,
  • von Verfahren zur Erkennung möglicher Heilungshindernisse, die nach den Ursachen schwer behandelbarer Beschwerden forschen sowie von grundlegenden Maßnahmen der Neuraltherapie, die Lokalanästhetika zu diagnostischen und therapeutischen Zwecken einsetzt.

Wie die Naturheilverfahren gehören auch Homöopathie und Akupunktur in den Bereich der Komplementärmedizin, werden jedoch in jeweils eigenen medizinischen Zusatzbezeichnungen behandelt.

 

Ganzheitsmedizin und Naturheilkunde im ärztlichen Alltag

Die Naturheilkunde folgt den Prinzipien der ganzheitlichen Medizin oder Ganzheitsmedizin. Entsprechend berücksichtigen ihre Diagnose- und Therapieverfahren sowohl die körperlichen als auch die seelischen Aspekte einer gesundheitlichen Störung. Wenn es um die Linderung von Beschwerden und die Stärkung der Selbstheilungskräfte geht, rückt deshalb die gesamte Persönlichkeit der PatientInnen in den Mittelpunkt.

Weil Lebensumstände und soziale Verflechtungen eine wichtige Rolle bei der Erforschung der Krankheitsursachen und der Wahl der Behandlungsmaßnahmen spielen, ist es für die Ärztin oder den Arzt besonders wichtig, ihre PatientInnen genau kennenzulernen. Sowohl während der Anamnese als auch im Verlauf der Therapie und Prävention kommt dem ausführlichen Patientengespräch und der individuellen Zuwendung folglich eine besondere Bedeutung zu.

Wenn niedergelassene Allgemein- oder Fachärztinnen bzw. Fachärzte naturheilkundliche Verfahren ergänzend zur schulmedizinischen Therapie anwenden, kann das die Kosten für Arzneimittel senken. Im Gegenzug entsteht durch den intensiven Austausch mit dem Patienten ein deutlich höherer zeitlicher Aufwand als im klassischen Praxisalltag. Die zeitintensive Gesprächsführung ist für den Behandlungserfolg zwar entscheidend, wird von den Krankenkassen aber meist nicht umfassend vergütet.

Besonders für niedergelassene Mediziner ist die Zusatzbezeichnung Naturheilverfahren gleichwohl ein Gewinn. Die ergänzende Qualifikation durch die Zusatzweiterbildung signalisiert die Bereitschaft, über den Tellerrand hinauszuschauen, stärkt das Vertrauen in die Kompetenzen des Arztes oder der Ärztin und erhöht die Attraktivität der Praxis. Darüber hinaus können naturheilkundliche Behandlungsformen dazu beitragen, dass zwischen Ärztin oder Arzt und Patientin oder Patient ein Verhältnis auf Augenhöhe entsteht. Die intensive Zusammenarbeit verlangt von beiden ein hohes Maß an Konsequenz und Kooperationsbereitschaft.

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Stand: September 2022