„Pfleger, die einmal gekündigt haben, kommen in der Regel nicht mehr zurück“

Erschienen in WELTplus am 9. Juni 2023

Kurzfassung: Das Verbot von Zeitarbeit bringt Pflegekräfte nicht zurück in die Festanstellung

  • Differenzierung der Leiharbeit: CEO der doctari group unterscheidet zwischen der legitimen „Feuerwehrfunktion“ der Leiharbeit (überregionale Einsätze zur Abdeckung von Personalspitzen) und einem von ihm als „pervertiert“ bezeichneten System, bei dem Pflegekräfte kündigen, um sich teurer an dieselbe Klinik zurückvermitteln zu lassen.
  • Abgrenzung von doctari: Er positioniert doctari klar im Bereich der „Feuerlöschfunktion“ und erklärt, dass man sich bewusst von den Firmen abgrenze, die ungesunde „Strukturersetzung“ betreiben.
  • Kritik an der Politik: Den Vorwurf der hohen Kosten kontert Ziegler mit dem Hinweis, dass der Staat durch die 19 % Mehrwertsteuer der größte finanzielle Profiteur der Leiharbeit sei. Er sieht die Leiharbeitsfirmen als Sündenbock für hausgemachte Probleme des Systems.
  • Warnung vor einem Verbot: Ein Verbot der Leiharbeit würde laut Ziegler das Kernproblem nicht lösen. Die Ursache für die Personalnot seien die schlechten Arbeitsbedingungen, die Pflegekräfte zur Kündigung treiben. Die Lösung sei daher nicht ein Verbot, sondern die Verbesserung der Arbeitsbedingungen in der Pflege in Festanstellung.
     

In einem Interview mit der WELT bezieht Cai-Nicolas Ziegler, CEO der doctari group, Stellung zur scharfen Kritik an der Zeitarbeit in der Pflege. Er gesteht zu, dass es Fehlentwicklungen in der Branche gibt, und macht den Unterschied zwischen zwei Modellen deutlich: Einerseits die legitime „Feuerwehrfunktion“, bei der Leiharbeitskräfte überregional und flexibel Personalspitzen abdecken, welches das Geschäftsmodell darstellt, das doctari verfolgt. Andererseits kritisiert er ein „pervertiertes System“, bei dem Pflegekräfte nur kündigen, um sich von einer Zeitarbeitsfirma teurer an ihre alte Klinik zurückvermitteln zu lassen. Diese Praxis sei „Gift für das System“, wovon sich doctari klar distanziere.

Den Vorwurf der hohen Kosten und der Abwerbung von Personal kontert Ziegler, indem er die Rolle des Staates hervorhebt. Mit 19 % Mehrwertsteuer auf jede Vermittlung sei dieser der größte finanzielle Profiteur der Leiharbeit. Die Kritik an den Gehältern aus der Politik nennt er daher „bigott“ und stuft die Leiharbeitsfirmen als gefundenen „Sündenbock“ für die grundlegenden Probleme im Gesundheitssystem ein. Obwohl Leiharbeitskräfte nur einen sehr kleinen Teil des gesamten Personals ausmachen, konzentriert sich die öffentliche Debatte fast ausschließlich auf sie. Ein mögliches Verbot der Leiharbeit in der Pflege, wie von Minister Lauterbach angedacht, hält Ziegler für den falschen Weg. Es würde das Kernproblem, nämlich die schlechten Arbeitsbedingungen, die zur Abwanderung führen, nicht lösen. Er warnt eindringlich mit dem Satz: „Pfleger, die einmal gekündigt haben, kommen in der Regel nicht mehr zurück.“ Die einzig nachhaltige Lösung sei es daher, den Pflegeberuf selbst durch bessere Bedingungen so attraktiv zu machen, dass niemand mehr den Anreiz hat, in die Leiharbeit zu wechseln.
 

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