Bis zu 7.000 Euro brutto für Pflegekräfte
Erschienen in der F.A.Z. am 21. Januar 2024Kurzfassung: „Der neue Reiz der Leiharbeit“
- Wandel des Images: Leiharbeit hat sich von einem schlecht bezahlten Job ‚zweiter Klasse‘ zu einer attraktiven, oft überdurchschnittlich gut bezahlten Berufsoption entwickelt, insbesondere in Branchen mit hohem Fachkräftemangel.
- Attraktivität durch Flexibilität: Für viele ArbeitnehmerInnen bietet die Leiharbeit die dringend benötigte Flexibilität bei Arbeitszeit und -ort, die ihnen in einer Festanstellung verwehrt wird.
- Konsequenz eines Verbots: Eine Studie des Institutes der deutschen Wirtschaft (IW) zeigt, dass ein Verbot von Leiharbeit den Fachkräftemangel verschärfen würde, da die meisten Betroffenen nicht in eine Festanstellung zurückkehren würden.
- Neue Zielgruppen: Leiharbeit wird zunehmend für hochqualifizierte Akademiker (z. B. Ingenieure, IT-Fachkräfte) attraktiv, die sie als eine Art ‚Festanstellung für Freiberufler‘ nutzen, um Erfahrungen in verschiedenen Unternehmen zu sammeln.
- Akzeptanz durch neue Akteure: Sogar Gewerkschaften wie die GDL (Lokführer) und die IGBCE (Bergbau, Chemie) gründen eigene Leiharbeitsfirmen, um Arbeitsplätze zu sichern oder faire Übergänge (bei zum Beispiel Arbeitsplatzstreichung) zu gestalten.
Der Artikel „Der neue Reiz der Leiharbeit“ aus der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 21. Januar 2024 beschreibt einen fundamentalen Wandel in der Wahrnehmung und Realität der Arbeitnehmerüberlassung. Aufgrund des allgemeinen Fachkräftemangels in vielen Branchen hat sich die Dynamik verschoben: Nicht mehr die Unternehmen, sondern die Arbeitnehmer bestimmen in gefragten Bereichen wie der Pflege, IT oder im Ingenieurwesen die Anstellungsbedingungen.
Anhand des Beispiels der Intensivkrankenschwester Bianca Kohl wird gezeigt, warum qualifiziertes Personal der Festanstellung den Rücken kehrt: Hoher Arbeitsdruck, geringe Wertschätzung und starre Dienstpläne inklusive Schichtdienst führen dazu, dass die Leiharbeit als deutlich attraktiveres Angebot mit besseren Arbeitsbedingungen empfunden wird. Forderungen der Krankenhäuser nach einer Regulierung oder einem Verbot der Leiharbeit sind laut einer Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft nicht zielführend, da die meisten in Zeitarbeit angestellten Pflegekräfte in diesem Fall die Branche komplett verlassen würden, was den Pflegenotstand weiter verschärfen würde.
Mittlerweile entdecken sogar traditionell kritische Akteure wie Gewerkschaften das Modell für sich und setzen es um. Die Lokführergewerkschaft GDL gründete eine eigene Zeitarbeitsfirma, um Lokführer zu besseren Konditionen zu verleihen, und die Industriegewerkschaft IGBCE nutzt sie, um zum Beispiel Stellenabbau sozialverträglich zu gestalten. Leiharbeit etabliert sich so mehr und mehr als strategisches Standbein der Arbeitsmarktgestaltung. Zwar gibt es weiterhin ‚schwarze Schafe‘ in der Branche, doch der Gesamttrend zeigt, dass die Leiharbeit für viele zur attraktiven Alternative geworden ist, die die Sicherheit einer Anstellung mit der Flexibilität eines Freiberuflers verbindet.
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